Aus DER RABE RALF August/September 2019, S. 6
Es steht nicht gut um unsere Gewässer – trotz eines zukunftsweisenden Gesetzes
Deutschlands Gewässerschutz ist mangelhaft. Das ist die Bilanz einer auf offiziellen Behördendaten fußenden Untersuchung, die die Naturschutzstiftung WWF im November 2018 in Berlin vorstellte. Demnach verstößt Deutschland flächendeckend gegen die europäische Wasserrahmenrichtlinie. Allein ein Drittel der deutschen Grundwasservorkommen sind in einem „schlechten chemischen Zustand“. Hauptursache hierfür sind die hohen Nitrateinträge aus der Landwirtschaft, verursacht durch ein Übermaß an Düngemitteln. Die Kritik betrifft aber auch die Oberflächengewässer, also Bäche, Flüsse und Seen. Dabei hatte vor knapp zwanzig Jahren ein insgesamt hoffnungsvoller Prozess begonnen.
Die Wasserrahmenrichtlinie
Mit der im Jahr 2000 in Kraft getretenen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) begann eine neue Ära im europäischen Gewässerschutz. In diesem Rahmengesetz wurden erstmals Ziele für den ökologischen Zustand der Flüsse, Seen, Küstengewässer und des Grundwassers mit verbindlichen Fristen festgelegt, ein Verschlechterungsverbot für den Gewässerzustand postuliert und die flussgebietsweite Bewirtschaftungsplanung vorgeschrieben. Der Gewässerschutz im Zeichen der Wasserrahmenrichtlinie beruht auf der Kombination von ordnungsrechtlichen Vorgaben, einem planerischen Instrumentarium und einem Bündel ökonomischer Instrumente. Die Richtlinie ist damit auch weiterhin das Modell für eine zukunftsweisende Umweltpolitik in Europa.
Die Wasserrahmenrichtlinie ersetzte eine Vielzahl von Einzelrichtlinien zum Gewässerschutz und ist von allen EU-Staaten mittlerweile in eigenes Recht gegossen worden. In Deutschland wurden dafür das Wasserhaushaltsgesetz und alle Landeswassergesetze der Bundesländer novelliert.
Das Besondere an der WRRL ist, dass der Gewässerschutz flussgebietsbezogen, also von der Quelle bis zur Mündung und mit allen Nebenflüssen, betrachtet wird. Außerdem wird zur Bewertung des Gewässerzustands nicht mehr nur die chemische Wasserqualität herangezogen, sondern auch Tiere und Pflanzen im Gewässer und die Gewässerstrukturen.
Eine weitere Besonderheit der WRRL ist eine verpflichtende Öffentlichkeitsbeteiligung, die von den zuständigen Stellen organisiert werden muss (Artikel 14).
Klassifizierung der Oberflächengewässer
Für Oberflächengewässer wird ein „guter ökologischer Zustand“ angestrebt. Die WRRL enthält genauere Bestimmungen, wie Gewässer zu klassifizieren sind. Als „sehr gut“ stuft sie ein vom Menschen nahezu unbeeinflusstes Gewässer ein. Mit zunehmender Beeinträchtigung reicht die fünfstufige Skala der Benotung dann über „gut“, „relativ befriedigend“ und „unbefriedigend“ bis hin zu „schlecht“.
Worauf es in jedem Fall ankommt, sind die ökologischen Kenngrößen Artenvielfalt und Artenzusammensetzung im Gewässer. Wenn sich hier Defizite ergeben, müssen die Ursachen dafür untersucht und Abhilfe geschafft werden. Dafür ist es notwendig, weitere Parameter der Gewässer zu ermitteln: Temperatur, Sauerstoffhaushalt, chemische Schadstoffe und Nährstoffverfügbarkeit, aber auch Wasservolumen, Strömung, Tiefe und Beschaffenheit des Gewässerbetts einschließlich seiner Durchgängigkeit.
Der laut Richtlinie anzustrebende gute Zustand der Oberflächengewässer besteht aus einem mindestens guten ökologischen und einem guten chemischen Zustand – bei letzterem unterscheidet die WRRL nur zwischen „gut“ und „schlecht“. Gemeint ist, dass in allen Gewässern wieder möglichst naturnahe Strukturen und wenig Schadstoffe vorkommen sollen, damit auch wieder die typischen Tiere und Pflanzen dort leben können.
Die Politik ist gefordert
Deutschlands Oberflächengewässer und besonders seine Flüsse sind oft weit von ihrem natürlichen Zustand entfernt. Selbst kleinste Fließgewässer wurden begradigt, vertieft, gestaut und verbaut. Nur knapp fünf Prozent der in der WWF-Untersuchung bewerteten Bäche und Flüsse erreichen einen „sehr guten“ oder „guten“ Zustand bei der Gewässerstruktur. Und nur noch acht Prozent der deutschen Oberflächengewässer werden als „ökologisch intakt“ eingeschätzt.
Betrachtet man die einzelnen Bundesländer, stößt man auf deutliche Unterschiede. In der Gesamtbewertung des Gewässerschutzes kommen Rheinland-Pfalz, Bayern und Schleswig-Holstein noch vergleichsweise gut weg. Schlusslichter sind Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Brandenburg liegt im Mittelfeld. Hamburg und Bremen haben praktisch keine natürlichen Fließgewässer mehr, da behördlicherseits alle Bäche und Flüsse dort als „erheblich verändert“ eingestuft wurden.
Insgesamt „verfehlen alle sechzehn Bundesländer die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie“, sagt WWF-Vorstand Christoph Heinrich. Er fordert daher die Politik auf, „den Gewässerschutz endlich ernst zu nehmen“ und die EU-Wasserrahmenrichtlinie konsequent umzusetzen. „Es wurde zu lange weggesehen, wenn weite Teile der Industrie und des Agrarsektors auf Kosten unseres Wassers gewirtschaftet haben. Das Problem wurde verschleppt. Notwendig sind mehr Geld, mehr Personal und vor allem der politische Wille, unser Wasser zu schützen.“
Seenland Brandenburg
Brandenburg ist gegenüber der EU für 190 seiner 3.000 Seen berichtspflichtig. Wie der Landesverband des NABU auf seinem Naturschutztag 2018 mitteilte, erreichen zurzeit nur 13 Prozent der brandenburgischen Seen die Ziele der WRRL – also einen sehr guten (vier Seen) oder guten ökologischen Zustand (20 Seen). Mit „sehr gut“ schnitten danach der Peetschsee bei Fürstenberg/Havel, der Krewitzsee in der Uckermark, der Briesener See östlich von Lübben und der Bötzsee bei Strausberg ab.
Unter den 20 mit „gut“ bewerteten Seen sind der Parsteiner See, der Seddiner See, der Wittwesee bei Rheinsberg und der Senftenberger See. Der weitaus größere Teil ist in unbefriedigendem und schlechtem Zustand.
Auch bei den Fließgewässern gibt es laut NABU-Referent Eberhard Rohde viel Verbesserungsbedarf. Von den 1.346 Flüssen und Bächen im Land erreichen nur sechs Prozent einen guten Zustand. Der größte Teil befindet sich in einem mäßigen und unbefriedigenden Zustand, 208 Fließe sind in schlechtem Zustand. Es ist also noch viel zu tun, wenn bis 2027 die Ziele der WRRL erreicht werden sollen. Rohde appelliert auch an NABU-Gruppen, sich bei der Erarbeitung von Gewässerkonzepten zu engagieren.
Schließlich kommt die laut WRRL vorgeschriebene umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung, beispielsweise bei der flussgebietsweiten Bewirtschaftungsplanung, zu kurz. Oder wie sonst lässt sich – im konkreten Fall – erklären, dass im Zuge des Umbaus der Schleuse Königs Wusterhausen auf die seit vielen Jahren geplante Fischaufstiegsanlage („Fischtreppe“) ohne Erklärung verzichtet wird? Diese Schleuse im Notte-Kanal ist flussaufwärts das erste Querbauwerk für das rund 500 Quadratkilometer große Einzugsgebiet der Notte mit 15 größeren Seen. Sie ist bislang nicht ökologisch durchgängig. Weder Otter noch vor dem Bauwerk nachgewiesene Wanderfische wie zum Beispiel die Quappe können die Anlage überwinden. Wo jedoch Wanderfische in den Flüssen fehlen, wird alles andere als nachhaltig gewirtschaftet.
Jörg Parsiegla
Weitere Informationen: www.brandenburg.nabu.de, Tel. 0331 / 2015570