Aus DER RABE RALF Februar/März 2018, Seite 5
Der Star ist Vogel des Jahres 2018
Nach eher „exotischen“ Titelträgern aus Vorjahren, zuletzt dem Waldkauz, trifft es diesmal eher einen Allerweltsvogel – möchte man meinen. Doch der Eindruck täuscht. Denn erstens besitzt der Star herausragende Talente und zweitens ist er trotz seiner Präsenz in unserem Alltag eine gefährdete Art – für den Naturschutzbund NABU und sein bayerisches Pendant, den Landesbund für Vogelschutz, Grund genug, den Star zum Vogel des Jahres 2018 zu küren.
Der Star singt gerne nach, was er so hört. Foto: Georg Dorff/NABU
Der Anpassungskünstler
Der Starenbestand nimmt nämlich ab. „Es fehlt an Lebensräumen mit Brutmöglichkeiten und Nahrung, insbesondere verursacht durch die industrielle Landwirtschaft“, sagt NABU-Präsidiumsmitglied Heinz Kowalski. Heute gebe es etwa eine Million Paare weniger als noch vor 20 Jahren. Noch zählt der Star mit gegenwärtig 3,65 Millionen Brutpaaren zu den häufigsten Vogelarten in Deutschland.
Die bevorzugten Lebensräume des Stars wie Weiden, Wiesen sowie an Alleen und Waldränder grenzende Felder werden leider immer intensiver genutzt. Generell benötigt der Star Nahrungsflächen mit niedriger Vegetation, wo er Würmer und Insekten findet. Auch Hecken und Feldgehölze, die als Versteck oder Aussichtswarte infrage kommen, mag er. Zum Brüten wiederum ist der Vogel auf Baumhöhlen und andere Sicherheit bietende Hohlräume angewiesen. Folgerichtig wird der dichteste Starbesatz auf Flächen mit höhlenreichen Baumgruppen und benachbartem Grünland zur Nahrungssuche erreicht. Es müssen übrigens nicht immer Würmer und Insekten sein, der Star ist ein Allesfresser und verschmäht auch Obst (vor allem Kirschen), Samen und selbst Abfall nicht.
Glücklicherweise hat sich der Star auch im urbanen Raum an den Menschen angepasst. Heute stellen Parks und Friedhöfe mit ihren zum Teil alten und höhlenreichen Bäumen sowie den kurz gehaltenen Wiesen wichtige Ersatzlebensräume dar.
Stare laufen oder trippeln
Sturnus vulgaris ist in Europa so gut wie flächendeckend verbreitet – von Island bis Italien und von Spanien bis zum Ural. Nach Asien hinein gibt es eine Fortsetzung über Südsibirien bis zum Baikalsee und über die Türkei und den Nahen und Mittleren Osten bis nach Nordindien. Der Star wurde außerdem in Südwest-Afrika, Neuseeland, Australien und Nordamerika eingebürgert. Auch europäische Großstädte sind zum Teil bis in die Zentren besiedelt. In Berlin gab es bis vor wenigen Jahren eine riesige Schlafstelle von bis zu 40.000 Staren in dem Kastanienhain am Berliner Dom. Und derzeit suchen die Vögel immer häufiger ihr Futter auf Berliner S-Bahnsteigen und auf öffentlichem Straßenland – ein Zeichen für das Fehlen herkömmlicher Nahrungsquellen oder aber die Tatsache, dass immer mehr Tiere ihr Zugverhalten ablegen und hier überwintern. Der Großteil der mitteleuropäischen Stare überwintert im Mittelmeerraum und in Nordwestafrika oder im atlantischen Westeuropa.
Der Star ist mit seinen rund 20 Zentimetern Körperlänge größer als ein Spatz und kleiner als eine Amsel. Verwechslungsgefahr besteht eigentlich nicht. Für unentschiedene Fälle: Amseln hüpfen am Boden, Stare laufen oder trippeln. Amseln besitzen auch nicht den schillernden, metallischen Glanz des Starengefieders. Bei dem wird übrigens zwischen Schlicht- und Prachtkleid (während der Balz) unterschieden. Beim Schlichtkleid sind die Körperfedern schwärzlich mit metallisch grünem, violettem oder purpurnem Glanz und haben weiße bis beigefarbene Spitzen. Der ganze Körper erscheint dadurch hell gepunktet. Das Prachtkleid wird im Frühjahr während der Balz angelegt. Die hellen Spitzenflecken sind jetzt verblasst und der Körper ist insgesamt schwärzlich und metallisch glänzend. Der Schnabel ist im Prachtkleid gelb, im Schlichtkleid schwärzlich. Die Geschlechter unterscheiden sich nur geringfügig, Weibchen sind etwas weniger glänzend gefärbt als Männchen.
Gewichtsmäßig liegen ausgewachsene Starweibchen und -männchen um die 80 Gramm – die Weibchen meist darunter, die Männchen geringfügig darüber.
Starenschwärme können auch moderne Menschen stark beeindrucken. Foto: S. Williams/NABU
Der Schwärmer
Ansonsten macht der Star, was alle anderen Vögel auch machen. Er paart sich (mitunter mehrfach in einer Brutsaison), baut – wenn auch etwas schludrig – sein Nest und zieht die Jungen auf, die spätestens nach drei Wochen Nestzeit ausfliegen. Im Unterschied zu anderen Vögeln sind jedoch Eiablage und Aufzucht in Mitteleuropa terminlich hochsynchronisiert, so dass die selbstständigen Jungvögel ab Mitte Juni sofort Schwärme bilden können, die durch den Zwischenzug von Jungvögeln nordöstlicher Populationen – aus Skandinavien und Russland zum Beispiel – immer größer werden und ihr Maximum im Juli erreichen. Überhaupt bewegen sich Stare ganzjährig in Trupps und zeigen damit ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Auch nachts werden gemeinsame Schlafplätze genutzt.
Beim Flug entwickelt der Star eines seiner wahren Talente. Seine im Flugbild spitzen, dreieckigen Flügel und der vergleichsweise kurze Schwanz machen ihn zu einem äußerst manövrierfähigen Luftakrobaten. Nur so sind wohl die imposanten Schwarmflüge des Vogels – insbesondere bei Annäherung von Fressfeinden wie Falke, Habicht und Sperber – zu erklären. Die Schwärme können sich dann, ähnlich einem Fischschwarm, ruckartig zusammenziehen, pulsieren oder Wellen bilden. Das Schwärmen in der Dämmerung, kurz vor Aufsuchen der Schlafplätze und nicht minder spektakulär, hat eher einen sozialen Aspekt und erfolgt aus Übermut.
Schräger Vogel
Ein weiteres, zugegeben recht schräges Talent entwickelt der Star beim Gesang. Der Vogel ist dafür bekannt, andere Vögel und Umgebungsgeräusche zu imitieren. Er ahmt Hundebellen ebenso nach wie Alarmanlagen oder Handyklingeltöne. Vielleicht hat ihm diese Eigenschaft ja schon früh die Sympathie des Menschen eingebracht und dazu geführt, dass dieser den Star bis ins 19. Jahrhundert hinein als Heimtier frei in der Wohnung hielt. So wie es, laut NABU-Recherche, zum Beispiel auch Wolfgang Amadeus Mozart tat. Dessen gelehriger Vogel konnte schon nach kurzer Zeit das Rondothema aus dem Klavierkonzert Nr. 17 in G-Dur (Köchelverzeichnis 453), an dem Mozart damals arbeitete, nachpfeifen. Als sein „Vogel Stahrl“ starb, war der begnadete Komponist untröstlich und widmete ihm ein eigenes Poem.
Allerdings wurde der Star damals auch gegessen – wie fast alle Singvögel.
Wenn er nicht gerade gegessen oder gefressen wird und auch sonst gut über die Runden kommt, kann ein Star ein Alter von über 20 Jahren erreichen, wie Ringfunde belegen.
Jörg Parsiegla