Lieber Monokultur als Autobahn

Aus DER RABE RALF August/September 2021, Seite 13

Bei der Waldbesetzung in der Altmark geht es nicht nur um das Verhindern eines Straßenbauprojekts

Baumhütten im Kiefernforst, wo bald die Autobahn hinsoll. (Foto: Elliott Kreyenberg)

Auf den ersten Blick ist das Waldstück in der Nähe von Seehausen in der Altmark eine unauffällige Kiefern-Monokultur, wie sie in unseren Breitengraden vielfach anzutreffen ist. Wären da nicht die vielen bunten Aufkleber mit ökologischen und antifaschistischen Motiven auf Wegweisern und Bänken. Aus der Ferne fallen zwischen den Bäumen plötzlich bunte Stoffe ins Auge. Beim Näherkommen erkennt man verschiedenfarbige Planen, wie sie auch auf Baustellen verwendet werden. Doch noch ist der Wald in der Altmark keine Baustelle. Junge Leute haben sich im April in Baumhütten dort niedergelassen, damit das so bleibt. Mit ihrer Waldbesetzung wollen sie die geplante Verlängerung der Autobahn A14 von Magdeburg nach Schwerin noch verhindern.

„Moni bleibt“

Seitdem ist die Parole „Moni bleibt“ bundesweit auf Plakaten und Flugblättern zu finden. Das Kürzel Moni spielt ironisch darauf an, dass es sich um bei dem Waldstück um keinen Naturwald handelt. „Lieber Monokultur als Autobahn“ ist auch eine Parole, die auf verschiedenen Transparenten im Hüttendorf und auf Flugblättern zu finden ist.

Die Texte auf den Transparenten, die zwischen den Bäumen aufgehängt wurden, sind sehr individuell gestaltet und es geht dabei auch nicht nur um den Kampf gegen die A14. Auf einem großen Banner findet sich ein Text in der Sprache von Indigenen, die sich in Mexiko in den zapatistischen Gemeinden unabhängig vom Staat organisieren (siehe S. 17). Ein anderes Transparent bezieht sich auf die Namen der Barrios, der Baumhüttendörfer, die AutobahngegnerInnen im letzten Herbst im Dannenröder Forst in Nordhessen errichtet hatten (Rabe Ralf Februar 2021, S. 12). Dieses Camp wurde bald geräumt. Doch die Moni-Besetzung wurde davon ebenso inspiriert wie von den jahrelangen Auseinandersetzungen im Hambacher Forst in Nordrhein-Westfalen, wo sich AktivistInnen gegen das vom Kohlekonzern RWE geplante Abbaggern eines Waldes für den Braunkohleabbau wehren.

Antifa-Vorposten und soziales Experiment

Das Camp ist für die dort Wohnenden auch ein kleines Experimentierfeld, auf dem sie ihre Vorstellungen von einer Welt ohne Macht, Geschlechternormen und Hierarchien schon einmal im Kleinen ausprobieren wollen. Sie wollen eben nicht nur eine Autobahn verhindern, sondern sehen in dem Camp einen Raum, gesellschaftliche Regeln grundsätzlich zu hinterfragen. Eine Hüttenbewohnerin nennt drei Gründe für die Besetzung des Waldstücks. „Es geht natürlich darum, am Ort der drohenden Naturzerstörung den Autobahnbau zu blockieren. Genauso wichtig ist aber das Zusammenleben im Camp, in dem täglich Hierarchien und Machtstrukturen infrage gestellt werden. Zudem ist das Moni ein antifaschistischer Vorposten in der Altmark.“ Tatsächlich hängen mehrere Antifa-Fahnen im Camp und Parolen gegen Rechts sind zahlreich zu finden.

Mit den AnwohnerInnen rund um den Wald hat die Gruppe schon Kontakte geknüpft. Auch erklärte Befürworter der Autobahn seien schon vorbeigekommen und hätten sachlich über die Frage gestritten, ob ein weiteres Stück Natur für die vage Hoffnung auf einige Tausend Arbeitsplätze in der Region zerstört werden soll. Zu dem für das Waldstück zuständigen Förster haben die Camp-BewohnerInnen ebenfalls ein gutes Verhältnis. Der habe angeboten, sie beim Brandschutz zu unterstützen. Diese Frage kann in den nächsten Wochen an Bedeutung gewinnen. Mit der durch die hochsommerlichen Temperaturen begünstigten erhöhten Waldbandgefahr könnten die Behörden eine mögliche Räumung legitimieren.

Kleiner Erfolg vor Gericht

Eigentlich sollte das Moni bereits Geschichte sein. Der zuständige Landkreis Stendal hatte die WaldbewohnerInnen im Rahmen einer Allgemeinverfügung aufgefordert, bis zum 18. Juni sämtliche Hütten abzubauen und den Forst zu verlassen. Ein Einspruch sollte keine aufschiebende Wirkung haben. Dagegen klagten die Betroffenen mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht Magdeburg stellte die aufschiebende Wirkung wieder her und der Landkreis muss die Gerichtskosten tragen. Die Begründung des Magdeburger Gerichts könnte nach Ansicht von JuristInnen auch für andere Waldbesetzungen von Bedeutung sein. Denn damit wurde eine Waldbesetzung unter den Schutz des Versammlungsrechts gestellt.

Sollte es irgendwann zu einer Räumung kommen, wollen die BesetzerInnen mit „kreativen Aktionen“ antworten. Doch selbst wenn der Forst geräumt werden sollte, wird der Protest nicht aus der Altmark verschwunden sein. In einem in den 1990er Jahren stillgelegten Bahnhofsgebäude in der nahen Kleinstadt Seehausen haben die „Monis“ einen legalen Außenposten errichtet. Jemand aus der Region hatte das leerstehende Gebäude vor vielen Jahren gekauft. Ihm schwebte schon damals die Idee eines Kulturbahnhofs vor. Bisher fehlten aber die Menschen, die Zeit und Energie aufbringen wollten, um das Projekt zu realisieren.

Kulturbahnhof unter Beobachtung

Das änderte sich mit der knapp sechs Kilometer entfernten Moni-Besetzung, die der Eigentümer des Bahnhofsgebäudes mit Sympathie verfolgte. Er kam schnell in Kontakt mit den jungen Leuten. Sie begannen sofort mit der Renovierung einiger Räume. Die ehemalige Bahnhofshalle wurde bereits als Veranstaltungsraum hergerichtet. Seit Wochen erregen Transparente mit Antifa-Parolen und Banner gegen den Autobahnbau die Gemüter der Rechten in der Region. Kurz vor Pfingsten meldete die AfD eine Kundgebung vor dem Bahnhof an.

Nach mehreren rechten Angriffen in den letzten Wochen hat die Polizeidirektion Stendal eine „Ermittlungsgruppe Moni“ (EG Moni) eingerichtet. Seitdem wird der Bahnhof ständig von der Polizei beobachtet, die natürlich nicht nur mögliche rechte Angriffe, sondern auch die Aktivitäten der KlimaaktivistInnen im Auge behält. Doch die rechten Attacken haben auch linke UnterstützerInnen aus der Region und dem nahen Wendland auf den Plan gerufen. So könnten die Moni-BesetzerInnen mit dem Kulturbahnhof Seehausen dauerhafte Spuren in der Altmark hinterlassen.

Peter Nowak

Weitere Informationen: www.keinea14.de

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