Mit harten Bandagen

Aus DER RABE RALF August/September 2021, Seite 7

Der Kampf um das Wasser in der Lausitz hat begonnen

Der Cottbuser Ostsee wird und wird nicht voll: Graffiti am „Russenhäuschen“ (Foto: Markus Pichlmaier/ideengrün)

Die Auswirkungen des Klimawandels sind nun auch in Berlin und Brandenburg angekommen. In den letzten Jahren verging kaum ein Monat, in dem man nichts über Sorgen und Warnungen vor Trockenheit, Wassermangel und sinkenden Wasserständen vernahm. Von der Prignitz bis zur besonders gebeutelten Lausitz gründen sich Bürgerinitiativen, die um ihre von Austrocknung bedrohten Seen kämpfen. Für Privatleute werden Wasserentnahmeverbote ausgesprochen. Und dann müssen auch noch die riesigen Kohlegruben mit Wasser gefüllt werden.

Wird knappes Wasser für Kohle reserviert?

Nach akribischen Recherchen hat das Umweltnetzwerk Grüne Liga nun auch noch aufgedeckt, dass der im Eigentum tschechischer Milliardäre befindliche Lausitzer Braunkohleförderer Leag für sein Kohlekraftwerk Jänschwalde die Spree anzapfen will. Selbst in Niedrigwasserzeiten könnte der Kohleförderer dann Wasser aus dem Fluss entnehmen, der eine Grundlage für die Trinkwasserversorgung im Großraum Frankfurt (Oder) und in Berlin ist.

„Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie knapp das Wasser der Spree ist. Nun soll ausgerechnet für die weitere Braunkohleverstromung plötzlich Wasser übrig sein“, kritisiert René Schuster von der Bundeskontaktstelle Braunkohle der Grünen Liga. „Das ist das Gegenteil dessen, was die Spree dringend braucht.“ Durch Akteneinsicht wurde bekannt, dass die Leag beim brandenburgischen Landesamt für Umwelt eine Überleitung von Spreewasser in das Kraftwerk Jänschwalde beantragt hat. Zu den Anträgen selbst wurde die Akteneinsicht allerdings verweigert. Es handle sich um Entwürfe, die noch überarbeitet würden, hieß es.

Wie aber umgehen mit dem knappen Gut Wasser in der Region? Das Umweltbundesamt hat dafür eigens im letzten Jahr eine umfassende Studie ausgeschrieben. Einen Paukenschlag lieferte dazu der „Spiegel“ im Januar dieses Jahres. Das Hamburger Magazin brachte an die Öffentlichkeit, dass mit der GMB GmbH ausgerechnet eine Leag-Tochter die Leitung eines Konsortiums übernimmt, das den Zuschlag für die 400.000 Euro teure Untersuchung erhalten hat: Zusammen mit anderen regelmäßig für die Leag tätigen Ingenieurbüros soll sie die wasserwirtschaftlichen Folgen des Kohleausstiegs in der Lausitz untersuchen. Transparenz: Fehlanzeige. Eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hat ergeben, dass sich im Begleitgremium zu der Studie nur Vertreter:innen von Behörden und Ministerien hinter verschlossenen Türen austauschen dürfen. Umweltverbände und Wissenschaft bleiben außen vor.

Das Kohlekraftwerk Jänschwalde bei Cottbus soll künftig Spreewasser verdampfen. (Foto: Markus Pichlmaier/ideengrün)

Klimaskeptische Uni-Veranstaltungen

Vertreter:innen des Konsortiums haben sich bereits im Vorfeld im sogenannten „Wasser-Cluster Lausitz“ organisiert. Der private Verein aus dem Umfeld der Kohlelobby veranstaltet seit geraumer Zeit eigene „Online-Vorlesungen“ an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). An der Uni gab es schon länger Unmut, weil die Kohlelobby die BTU für ihre Interessen einspannt. Das Fass zum Überlaufen brachte aber ein Vortrag eines an der Umweltbundesamts-Studie beteiligten Ingenieurbüros auf einer „Wasserkonferenz“ an der BTU, die vom „Wasser-Cluster“ veranstaltet wurde. Offen und ohne Widerspruch der anwesenden Hochschulleitung vertrat der Geschäftsführer des Ingenieurbüros Gerstgraser (das selbst nicht zum Klimasystem forscht) die These, dass der Anteil des Menschen am Klimawandel noch nicht ausreichend erforscht sei und auch überwiegend auf Einflüsse außerhalb der Atmosphäre, die sogenannten Milanković-Zyklen, zurückzuführen sein könnte. Erst eine Studentin der BTU holte dazu im Nachgang der Konferenz die Meinung seriöser Klimaforscher ein. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bewertete die Aussagen eindeutig als „Unsinn“.

Daraufhin erhob sich breiter Protest an der Universität. Das Studierendenparlament verfasste zusammen mit Fridays for Future, der BUNDjugend und Jugendorganisationen von Linken und Grünen einen offenen Brief. „Es kann nicht sein, dass ein kohlefreundlicher Verein unsere Uni für seine Zwecke nutzt und den anthropogenen Klimawandel infrage stellt, und das unwidersprochen von der damals anwesenden Unileitung“, kritisierte BTU-Student Anton Kröber. Ohne Erfolg. Die Unileitung verwies lapidar auf die „Wissenschaftsfreiheit“.

Die Wasserkonferenz des Cluster-Vereins wurde unter anderem aus Landesmitteln für den Strukturwandel vom Lausitz-Beauftragten Klaus Freytag gefördert. Der frühere Chef des Landesbergamtes war schon Ende 2019 in die Kritik geraten, als er der Lobbygruppe „Pro Lausitzer Braunkohle e.V.“ trotz mehrfacher klimaskeptischer Äußerungen als Veranstalter einer „Kleinen Klimaschule“ staatliche Fördermittel bewilligt hatte.

Erfolgsmeldung mit Rechentrick

Die Desinformation geht noch weiter. Der ehemalige Braunkohletagebau Cottbus-Nord soll zu 80 Prozent mit Spreewasser geflutet werden. Seit dem Flutungsbeginn im April 2019 wird der Bergbaubetreiber Leag nicht müde, regelmäßig Erfolgsmeldungen zu produzieren. Zuletzt konnte man zum Beginn des Sommers lesen, das Restloch sei trotz Wassermangel in der Spree bereits zu 70 Prozent gefüllt. Wird der „Cottbuser Ostsee“ etwa doch zu einem Erfolgsmodell?

Schaut man hinter die Propaganda, wird deutlich: So rosig sieht es um den geplanten „größten künstlichen See Deutschlands“ nicht aus. Denn was verkündet wird, ist die Wasserspiegelhöhe an der tiefsten Stelle des zukünftig 19 Hektar großen Sees. Das tatsächlich benötigte Wasservolumen wird hingegen kaum publik gemacht. Der See ist zwar dort, wo zuletzt die Kohlebagger arbeiteten, bis zu 50 Meter tief. Dieses Areal füllt sich recht schnell. Aber zu über 70 Prozent seiner Oberfläche soll er ein Flachwassersee mit höchstens zwei bis drei Metern Tiefe werden. Diese riesigen Bereiche erinnern heute eher an eine staubtrockene Steppe als an einen See, der 2025 zum Baden einladen soll.

Außerdem muss sich auch das Porenvolumen des trockengelegten Bodens wieder füllen. Insgesamt müssen rund 250 Millionen Kubikmeter Wasser aufgefüllt werden. Der steigende Wasserspiegel geht bisher kaum auf die Einleitung von Spreewasser zurück, sondern hier läuft schlicht das Grundwasser der Umgebung am tiefsten Punkt zusammen, das besonders sauer und sulfatreich ist.

Engagierte Cottbuser:innen begehren nun gegen die Desinformation auf. „Flutung Cottbuser Ostsee: 5 % Wassermenge in 2½ Jahren“ steht seit dem Frühjahr in großen Buchstaben an einem leerstehenden Wachturm direkt an der Zufahrt zum See. So viel Wasser war bis zum März tatsächlich aus der Spree in den See geflossen.

„Entschieden ist noch nichts“

Der Kampf um das Wasser hat längst begonnen und wird von der Kohlelobby mit harten Bandagen geführt. Aber auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nimmt zu. Für die Grüne Liga ist die geplante Entnahme von Spreewasser für die Kraftwerkskühlung unverantwortlich. „Bislang ist es nur ein Antrag. Entschieden haben die Behörden in Brandenburg noch nichts“, betont René Schuster und kündigt an: „Das Zeitfenster werden wir nutzen.“

Über 100 Seiten fachliche Stellungnahmen hat die Grüne Liga im Juni zum Bewirtschaftungsplan Elbe, der auch die Spreeregion abdeckt, im Rahmen der Überarbeitung zur EU-Wasserrahmenrichtlinie eingereicht. „Diese Planung ist dringend zu überarbeiten, wenn sie dem EU-Recht entsprechen soll“, macht Schuster klar. Eine zentrale Botschaft der Stellungnahme fasst er so zusammen: „Statt einen pauschalen Freibrief für veraltete Tagebauplanungen auszustellen, muss unabhängig von Leag-Interessen ermittelt werden, wie viel Kohleabbau noch im öffentlichen Interesse liegt.“

Markus Pichlmaier

Weitere Informationen: www.kein-tagebau.de

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