Aus DER RABE RALF Oktober/November 2017, Seite 3
Wie viel Platz brauche ich zum Essen? Auf dem Weltacker werden aus Zahlen Bilder
Wie viel Ackerfläche benötigt eigentlich ein Mensch? Alles, was wir essen und verfüttern, unsere Kleidung, vielleicht sogar Treibstoff und Energie wachsen irgendwo auf den Äckern unseres Planeten. Beim alltäglichen Einkauf im Supermarkt kann man leicht vergessen, dass alle Zutaten für jedes Lebensmittel von einem ganz konkreten Ort auf der Welt stammen, der den Anbau ermöglicht. Wie können wir uns das vorstellen? Der „Weltacker“ auf der Internationalen Gartenausstellung (IGA) in Berlin gibt darauf Antworten und liefert sinnliche Eindrücke von „meinen 2000 Quadratmetern“.
Der Weltacker: 2000Quadratmeter können jeden Menschen vernünftig ernährt. (Foto: Volker Gehrmann/Jan Ganschow)
Jeder kann mitentscheiden
Teilt man die weltweite Ackerfläche von 1,4 Milliarden Hektar durch sieben Milliarden Erdenbürger, gibt es für jede und jeden 2000 Quadratmeter. Um den Welternährungs-, Umwelt- und Verteilungsproblemen ein menschliches Maß zurückzugeben, haben die Initiatoren von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft einen genau 2000 Quadratmeter großen Acker auf dem Gelände der IGA in Marzahn-Hellersdorf angelegt.
Der „Weltacker“ vermittelt nicht nur ein Gefühl für die Größe unseres persönlichen Weltacker-Anteils, er zeigt auch das Verhältnis der Ackerkulturen, wie sie weltweit angebaut werden. Getreide, Gemüse, Obst, Genussmittel wie Zucker oder Tabak, Futtermittel für Tiere und Energiepflanzen für Treibstoffe wachsen hier auf ihren anteiligen Parzellen.
Doch der durchschnittliche Europäer verbraucht leider mehr als 2000 Quadratmeter: Umgerechnet 2700 Quadratmeter benötigt er durchschnittlich pro Jahr. Das liegt vor allem daran, dass in Europa sehr viel Soja und Getreide als Rohstoffe für Futtermittel oder „Biosprit“ importiert werden. Jede Fläche, die wir über unsere 2000 Quadratmeter hinaus verbrauchen, wird einem anderen Menschen irgendwo auf der Welt genommen.
Ob Sojaplantagen in Brasilien oder Palmölfelder in Südostasien: Wie es um „meine“ 2000 Quadratmeter bestellt ist und ob ich damit auskomme, hängt von meinen Verbrauchs- und Ernährungsgewohnheiten ab, aber auch von dem System, mit dem meine Produkte produziert wurden. Hier kann jeder Einzelne einschreiten, denn bei jedem Einkauf erteilen wir Landwirten, Bäuerinnen und der Nahrungsindustrie den Auftrag, ein Stück Acker so zu bestellen, wie dies Menge, Qualität und Preis der gekauften Produkte ermöglichen. Jeder Einzelne kann einen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zur Entlastung der Umwelt leisten, indem er seine Konsumgewohnheiten überdenkt.
Ein Acker für jeden
Lernen und Bildung stehen im Mittelpunkt des Weltacker-Projekts. In Zusammenarbeit mit dem IGA-Campus, dem Umweltbildungsprogramm der Gartenausstellung, gibt es für Schülerinnen und Schüler viel zu erleben. Kinder und Jugendliche erfahren ganz praktisch die unterschiedlichen Aspekte einer nachhaltigen Landwirtschaft, die vom ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmen bis hin zu gesundheitlichen und kulinarischen Besonderheiten unseres Eigenverbrauchs reichen. Anhand von interaktiven Rätseln, bei der gemeinsamen Ernte, beim Schnippeln, Kochen und Essen sowie bei Rallyes über den Acker erarbeiten sich junge Leute Antworten auf Fragen rund um die Herkunft ihrer Lebensmittel.
Doch auch für Erwachsene und Familien wird auf dem Acker viel geboten. Neben täglichen Führungen geben Infotafeln und interaktive Wissensstationen Auskunft über die Ackerkulturen und die großen Probleme der heutigen, kommerziellen Landwirtschaft. So landen viel zu viele Lebensmittel auf dem Müll, etwa ein Drittel des gesamten Anbaus. Der Verderb auf dem Acker, Ausfälle in der Lieferkette, aber auch unser heimischer Kühlschrank sind die Totengräber unserer Lebensmittel.
Außerdem nehmen der Anbau von Energiepflanzen und in Teilen der Welt auch der Fleischkonsum zu. Wussten Sie, dass bereits zwei Schweine in einem Jahr Ihren Acker leerfressen? Dabei deckt deren Fleisch gerade mal den Jahresbedarf von fünf Deutschen. Doch der Weltacker predigt keine rein fleischlose Ernährung: Neben den 2000 Quadratmetern reiner Ackerfläche stehen jedem auch 4800 Quadratmeter Weidefläche zur Verfügung, auf der Milch und Fleisch problemlos, aber in kleineren Mengen produziert werden können.
Wie viel Acker kommt auf den Teller?
Wie viele Quadratmeter hatte ich heute Morgen zum Frühstück? Auf solche konkreten Fragen gibt es am Flächenbuffet Antwort. Für einige beliebte Gerichte wurde die Anbaufläche pro Person berechnet. So verbraucht eine Pizza mit Spinat 0,87 Quadratmeter, eine Pizza Salami dagegen 1,71 Quadratmeter, ein Linseneintopf braucht gut einen halben Quadratmeter und ein kleines Schnitzel mit Bratkartoffeln schon über zwei Quadratmeter – wegen der Futtermittelfläche für die Schweine. Ein großes Bier wächst auf einem Viertel Quadratmeter, genauso viel nimmt ein gemischter Salat in Anspruch. All dies sind natürlich nur Durchschnittswerte und Näherungen. Beim Joghurt kommt es zum Beispiel darauf an, ob die Milchkuh Gras oder Kraftfutter gefressen hat.
Nicht nur in Berlin kann man den Weltacker bewundern. Ein Netzwerk von 2000-Quadratmeter-Projekten auf drei Kontinenten zeigt die weltweiten Unterschiede der Ackerkulturen und Erträge bei unterschiedlichen klimatischen Bedingungen. Doch überall können 2000 Quadratmeter Ackerland weit mehr als nur eine Person ernähren.
In China haben drei Landwirtinnen Teile ihrer Äcker zusammengelegt, auf denen sie lokale Gemüsesorten zur Selbstversorgung anbauen. In der Demokratischen Republik Kongo wachsen unter tropischen Bedingungen Maniok, Amarant, Mangos und andere Sorten und ernähren so die Landwirte und ihre Familien. In Schottland wurde ein 2000-Quadratmeter-Acker durch einen Biolandwirt in Kooperation mit der örtlichen Grundschule angelegt. Schülerinnen und Schüler arbeiten mit Freiwilligen auf dem Feld, ernten und kochen gemeinsam das Mittagessen in der Schulmensa. So lernen sie am praktischen Beispiel nachhaltige Landwirtschaft kennen.
Es ist genug für alle da!
Der Weltacker zeigt viele Probleme auf, vor allem will er aber eine positive Botschaft übermitteln: Es ist genug für alle da! Auf 2000 Quadratmetern wächst viel mehr, als ein Mensch essen kann. Heute werden weltweit Nahrungskalorien für 12 Milliarden Menschen produziert. Wird das Essen aber ungerecht verteilt, geht viel verloren oder wandert in Tiermägen und Tankfüllungen, werden nicht alle satt.
Wer das Weltacker-Projekt unterstützen will, hat viele Möglichkeiten. Ehrenamtliche Hilfe wird für die Gartenarbeit, die Besucherbetreuung oder die Ackerküche immer benötigt! Um einmal vorbeizuschauen, lohnt sich auch ein Blick auf die Internetseite www.2000m2.de oder ein Abo des Newsletters Ackerfunk.
Regelmäßig fanden auf dem Acker Diskussionsveranstaltungen zu ganz unterschiedlichen Themen der Landwirtschaft statt, zu denen es bei Anmeldung freien Eintritt auf das IGA-Gelände gab. Der Weltacker freute sich bis zum 15. Oktober über zahlreiche Besucher.
Magdalene Mirwald
Weitere Informationen:
Tel. (030) 28482320
www.2000m2.de