Wenn Bäume unter Mobilfunk leiden

Aus DER RABE RALF Oktober/November 2020, Seite 19

Die Schädigung von Bäumen durch hochfrequente Mobilfunkstrahlung ist belegt – der Staat muss handeln

Geschädigte Linden vor einem FU-Gebäude in der Dahlemer Boltzmannstraße, September 2017. (Foto: Cornelia Waldmann-Selsam)

Wer sich einmal in Spielfilmen aus den 50er oder 60er Jahren bewusst die dort auftauchenden Bäume und Wälder in ihrem herrlichen, üppigen Grün anschaut, wird erschüttert sein, wenn er den Vergleich mit dem heutigen Anblick von Bäumen und Wäldern zieht. Natürlich trägt die vermehrte Trockenheit im Zuge der Klimakrise viel zu dem tragischen Gesamtbefund bei – aber erklärt sie alles? Genauere Beobachtungen können zeigen, dass auch der Faktor des fast allgegenwärtig gewordenen Mobilfunks zu berücksichtigen sein dürfte – wobei hier die wichtige Frage ausgeklammert bleiben muss, wie die Mobilfunkstrahlung ihrerseits mit den Klimaproblemen zusammenhängt.

Auffällige Beobachtungen

Bereits zwischen 2004 und 2008 führte die Ärzteinitiative Bamberger Appell Erhebungen und Hochfrequenzmessungen bei erkrankten Anwohnern von Mobilfunksendeanlagen durch. Damals zeigten die betroffenen Menschen den Ärzten, dass nach Inbetriebnahme von UMTS-Sendern innerhalb kurzer Zeit deutliche Veränderungen an Bäumen und Sträuchern aufgetreten waren. Blätter wurden bereits im Juni gelb, braun berandet oder ganz braun und fielen vorzeitig ab. Bei manchen Arten waren sie nun kleiner als früher. Baumkronen wurden erst licht, später dürr – oft erkennbar beginnend auf der dem Sender zugewandten Seite. Betroffen waren alle Baumarten: Früchte schimmelten oder waren innen braun, schmeckten anders und waren weniger haltbar als früher. Doch Bäume, die im Funkschatten von Gebäuden standen, zeigten zum gleichen Zeitpunkt und bei gleichem Klima derlei Schadensbilder nicht.

Die bisher bekannten Einflussfaktoren wie Hitze, Frost, Trockenheit, Zusammensetzung, Verdichtung und Versiegelung des Bodens, Salzstreuung, Luft- und Bodenschadstoffe sowie Schadorganismen konnten diese Beobachtungen nicht hinreichend erklären. Daraufhin suchten die Ärzte einen großen Teil der Mobilfunksendeanlagen in Bamberg auf. Im Umkreis jeder Sendeanlage fanden sie den Kontrast zwischen hochfrequenzexponierten, geschädigten Bäumen und abgeschirmten, gesunden Bäumen. Ich war dabei – und das Thema ließ mich nicht mehr los.

Für die Beobachtung von Bäumen und Wäldern im Umkreis von Mobilfunksendeanlagen muss man wissen, dass die Abstrahlung der Sektorantennen gebündelt in Haupt- und Nebenstrahlen erfolgt. Unter dem Hauptstrahl gibt es zwischen und außerhalb der Nebenstrahlen Bereiche geringer Hochfrequenzbelastung. Gebündelte Abstrahlung, Reflexion, Beugung, Streuung, Interferenzen sowie Dämpfung durch Gebäude und Bäume führen zu einer ungleichen Verteilung der Hochfrequenzfelder. Das erklärt, warum Bäume im Umkreis unterschiedlich stark geschädigt sind und warum es Unterschiede zwischen oberen und unteren Teilen der Baumkronen gibt.

Politik reagiert nicht

Im August 2006 hat der Diplomphysiker und Elektrotechniker Volker Schorpp auf einem Fachgespräch des Bundesamts für Strahlenschutz in Oberschleißheim bei München Indizien für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Baum- und Waldschäden auf der einen Seite und chronischen Hochfrequenzbelastungen durch Mobilfunk, Radar und Richtfunk auf der anderen Seite aufgezeigt. Dennoch sah das Bundesamt keine Notwendigkeit, dem plausibel gemachten Verdacht nachzugehen. Dabei werfen Baumschäden nicht nur optische Probleme auf: umstürzende Bäume werden zur Gefahr, Baum- und Waldsterben schaden dem örtlichen Klima.

Neben den Baumschäden in Städten fiel außerdem die Entstehung von Lücken in Waldbeständen auf, gerade auch im Bergwald. Die Auswertung von Luftbildern zeigte, dass sich unter Berücksichtigung der Topografie das Verteilungsmuster der Waldschäden häufig mit dem Ausbreitungsmuster der Hochfrequenz-Einstrahlungen deckt.

Deshalb drängte die Ärzteinitiative seit Jahren Politiker und Behörden zum Handeln. Sie machte ihnen reichlich selbst erstelltes und anderweitig beigebrachtes Material zugänglich – ohne ernsthafte Resonanz. Und das, obwohl die Weltgesundheitsorganisation solche Untersuchungen von Bäumen schon 1999 forderte. Immerhin gab es Rückmeldungen einiger Gartenämter, Förster und Baumpfleger, die ihrerseits befürchteten, die künstliche Mobilfunkstrahlung könnte Bäume schädigen. Die Initiative ließ nicht locker. Zusammen mit den spanischen Biologen Alfonso Balmori-de la Puente und Alfonso Balmori sowie dem Forstwirt Helmut Breunig aus Niedersachsen führte sie eine Studie über einseitig geschädigte Bäume durch und veröffentlichte sie im Jahr 2016.

Das Ergebnis der Studie bestätigte den Verdacht, dass hochfrequente elektromagnetische Felder ausgehend von Mobilfunksendeanlagen Kronenschäden verursachen. Umwelt-Stressoren wie Hitze, Wassermangel, Frost oder Schädlingsbefall konnten ausgeschlossen werden. Alle Standorte wurden in eine Liste eingetragen und mit Raumkoordinaten versehen, die jeweiligen Gattungen wurden bezeichnet, es wurde fotografiert und auf der geschädigten wie auch auf der gesunden Seite die Strahlenbelastung gemessen. Inzwischen mussten wegen der Schädigungen schon mehrere der Bäume gefällt werden. Alle Messergebnisse lagen übrigens weit unter den gesetzlichen Grenzwerten gemäß der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung – was seinerseits zu denken gibt.

Dieser Ahorn in Bamberg zeigte 2015 ein typisches einseitiges Schadensbild. (Foto: Cornelia Waldmann-Selsam)

Auch Berlin ist betroffen

Im September 2017 entdeckte ich bei Rundgängen in Berlin charakteristische Baumschäden. Im Januar 2018 sandte die Ärzteinitiative eine Dokumentation an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller. Sie wies unter anderem auf Baumschäden im Regierungsviertel, in der Straße Unter den Linden und im Umkreis des Ärztehauses in Zehlendorf hin.

Inzwischen spitzte sich das Schadensbild weiter zu. Zumal Bäume nicht „psychologisch“ beeinflussbar sind, bestätigen sie die Erfahrungen vieler Menschen, ihrerseits durch hochfrequente Strahlung geschädigt zu werden. Tatsächlich hat etwa der namhafte französische Krebsforscher Dominique Belpomme in einem Arte-Interview berichtet, bei Personen, die besonders deutlich auf elektromagnetische Felder reagierten, Abweichungen bei mehreren Parametern im Blut gefunden zu haben. Die Beschwerden dieser Menschen können nach seiner Überzeugung nicht länger auf psychische Störungen oder pure Einbildung zurückgeführt werden.

Angesichts der Vielzahl von Indizien ist es unverantwortlich und gefährlich, mögliche Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf Bäume nicht zu untersuchen. Es verbietet sich, neue Sendeanlagen in Betrieb zu nehmen, bevor der Verdacht nicht durch wissenschaftliche Untersuchungen ausgeräumt wurde.

Cornelia Waldmann-Selsam

Weitere Informationen:
www.kompetenzinitiative.net/tag/baeume


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