Wenn die Nacht zum Tag wird

Aus DER RABE RALF Dezember 2020/Januar 2021, Seite 5

Städte wie Berlin hell zu beleuchten bringt Tiere aus dem Takt

Nächtlicher Blick vom Berliner Funkturm am Messegelände nach Norden. (Foto: Christian Salwa/Pexels)

Nachts sind in besiedelten Gebieten Straßen und Umgebung hell beleuchtet. Oft strahlt dieses Licht ungehindert in alle Richtungen, auch in den Himmel. In solchen Fällen redet man von Lichtverschmutzung. Viele nachtaktive Tiere werden davon negativ beeinflusst. Auch für Menschen ist dies nicht gesund. Haben sich doch alle Arten, auch der Mensch, über Jahrmillionen an den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus angepasst. Das gilt für das Verdauungssystem, den Schlafrhythmus und andere körpereigene Prozesse.

Auch Fledermäuse betroffen

Nächtliches Kunstlicht bringt viele Tierarten aus dem evolutionären Takt. Dies kann bei Vögeln und Insekten der Fall sein. Vögel können von nachts beleuchteten Gebäuden so irritiert werden, dass sie dagegen fliegen und sterben. Insekten werden vom Licht angezogen, und je nach Lampenart sterben sie den Hitzetod oder werden durch die bauliche Form in der Lampe gefangen.

Auch Fledermäuse werden durch das nächtliche Licht beeinträchtigt, schließlich jagen sie im Schutze der Nacht. Untersuchungen haben gezeigt, dass schon eine Vollmondnacht das Jagdverhalten von Fledermäusen beeinflusst. Menschliche Siedlungsbereiche sind deutlich heller beleuchtet.

Zwar gibt es auch unter den Fledermäusen Arten, die Licht etwas mehr tolerieren und am Lichtkegel von Laternen jagen, aber andere Arten wiederum meiden künstliches Licht vollkommen. Beleuchtete Straßen werden zu unüberwindbaren Hindernissen. Sind an Gebäuden die Bereiche des Ein- und Ausfluglochs beleuchtet, können die Fledermäuse nicht in ihre Quartiere zurückkehren oder diese gar nicht erst verlassen. Das führt unweigerlich zum Tod.

Nicht unbedingt sicherer

Wie ist es dazu gekommen, dass wir unsere Umgebung nachts so hell beleuchten? Der Fortschritt in der Entwicklung energiesparender Leuchten hat stark dazu beigetragen. Mit der Entwicklung von LED-Leuchten ist es gelungen, heller zu beleuchten und gleichzeitig energiesparender zu sein.

Einer der Hauptgründe für immer hellere Beleuchtung ist unser Sicherheitsgefühl. Mehrere Studien zu diesem Thema konnten bisher nicht feststellen, ob mehr nächtliches Kunstlicht zu mehr Sicherheit in Bezug auf Unfälle, Diebstähle oder Einbrüche führt. Dagegen wurde in der englischen Stadt Bristol festgestellt, dass weniger Unfälle und Verbrechen geschahen, wenn nachts die Beleuchtung gedimmt oder sogar zeitweise ausgeschaltet wurde.

In Deutschland gibt es keine Gesetze oder konkreten Grenzwerte für Lichtimmisionen in der öffentlichen Straßenbeleuchtung, wodurch nächtlicher Helligkeit keine Grenzen gesetzt werden. Dabei gewöhnt sich das Auge nach kurzer Zeit an das Sehen im Dunkeln.

Umstellung in Berlin verzögert sich

In Berlin ist die Senatsumweltverwaltung für die öffentliche Straßenbeleuchtung zuständig, die aus insgesamt 225.000 Straßenleuchten besteht, davon rund 195.000 elektronische. Seit 2016 verwendet das Land Berlin fast ausnahmslos energiesparende LED-Leuchten. Bis Ende 2019 wurden 34.5000 Leuchten ausgetauscht. Bei der Auswahl der LED-Leuchten wird darauf geachtet, dass das Licht einen geringen Ultraviolett- und Blauanteil besitzt, um keine Insekten anzulocken. „True Amber“ nennen sich solche Leuchten, die wenig bis gar keinen Blauanteil im Licht besitzen. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil von LEDs: Man kann bestimmte Farbkomponenten aus ihrem Licht entfernen.

Bevor diese Leuchten aber in der ganzen Stadt installiert werden, möchte die Senatsverwaltung die eingesparte Energie berechnen. Dazu müssten die entsprechenden Laternen mit einem vom Stromnetzbetreiber zugelassenen eigenen Stromzähler ausgestattet werden. Bisher verfügt keine der Straßenleuchten über solch einen Zähler.

Die Umstellung auf andere Leuchtmittel ist wichtig, doch auch die Form der Lampen muss geändert werden. Städte wie Berlin besitzen eine Lichtglocke – man sieht sie in der Nacht von Weitem anhand des hellen Lichts am Himmel, weil das Licht ungehindert in alle Richtungen gestreut wird. Mit einigen Veränderungen kann dafür gesorgt werden, dass das Licht nur dorthin strahlt, wo es gewünscht ist. Dafür muss der Lampenschirm anders aufgebaut sein. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat dafür einen „Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen“ veröffentlicht. Wer sich mit dem Thema näher beschäftigen möchte, findet den Leitfaden auf www.bfn.de mit dem Suchbegriff „Skripten 543“.

Die Milchstraße wieder sehen

Nicht nur nachtaktive Tiere leiden unter der nächtlichen Beleuchtung, sondern auch wir Menschen. Durch das in alle Richtungen streuende Licht werden Hausfassaden unnötig mitbeleuchtet. Wer eine Straßenlaterne direkt vor dem Schlafzimmerfenster hat, kennt das Problem. Ohne Fensterladen oder Rollo ist ein guter Schlaf nicht möglich.

In Europa leben mehr als 99 Prozent der Bevölkerung unter lichtverschmutztem Himmel, 60 Prozent können die Milchstraße nicht mehr sehen. Wann und wo haben Sie das letzte Mal die Milchstraße sehen können? Wäre es nicht schön, wenn wir sie auch außerhalb des Urlaubs wieder sehen könnten?

In Deutschland gibt es fünf sogenannte Sternenparks. Diese Regionen sind dunkel genug, um Sterne zu beobachten. In Brandenburg befindet sich der Sternenpark Westhavelland, etwa 70 Kilometer westlich von Berlin an der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt. Er ist gut mit der Regionalbahn zu erreichen.

Julia Bensch

Weitere Informationen:
www.sternenpark-westhavelland.de
Tel. 033875 / 90305

Beitrag aus: „UmweltBewusst“,
www.umweltbuero-lichtenberg.de

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