Aus DER RABE RALF Februar/März 2022, Seite 19
… nicht nur der Gesundheit, sondern auch der Umwelt
Wenige würden ihren Müll – etwa eine Bananenschale oder eine kaputte Glühbirne – unbedacht auf die Straße werfen. Viele verhalten sich vorbildlich und achten auf die richtige Trennung und Entsorgung ihrer Abfälle. So betrachtet ist es paradox, dass viele rauchende Menschen ohne Überlegung ihre Zigarettenstummel auf den Boden schnipsen. Das Problem: Kippenstummel sind weit mehr als ein ästhetischer Störfaktor. Sie sind extrem umweltschädlich und dabei aber so klein, dass sich kaum jemand die Mühe macht, sie wieder aufzusammeln. Leider ist für viele Rauchende das Wegschnipsen jedoch gang und gäbe …
Giftige Filter
„Rauchen tötet“, „Rauchen schädigt Ihre Lunge“, „Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu“ – die Sprüche auf den Zigarettenschachteln warnen vor den giftigen Inhaltsstoffen und ihren Auswirkungen. Die wenigsten wissen jedoch, welche und wie viele dieser Stoffe ihrem Körper Schaden zufügen und was für Chemikalien das sind.
Zigaretten enthalten ungefähr 5300 chemische Stoffe – 250 davon sind giftig und weitere 90 werden als krebserregend eingestuft. Dazu gehören Blei, Chrom, Kupfer, Benzol, Arsen, Nikotin, Teer – um nur die bekanntesten zu nennen. Viele Stoffe, eine Gemeinsamkeit: Sie sind giftig.
Zigarettenfilter dienen als Mundstück einer Zigarette und sollen den Anteil dieser gesundheitsschädlichen Stoffe im Zigarettenrauch verringern – doch das täuscht. Der Großteil der Giftstoffe wird trotzdem beim Rauchen eingeatmet. Wer sich dazu entscheidet zu rauchen, setzt sich bewusst dem Risiko dieser schädlichen Stoffe aus.
Wer nicht über sein Schicksal entscheiden kann, ist der Zigarettenfilter selbst. Er sieht aus wie Watte, besteht jedoch meistens aus dem Kunststoff Celluloseacetat. Der vollständige Abbau dieses Stoffes in der Natur kann mehrere Jahrzehnte dauern. Zudem sind in ihm all die Chemikalien enthalten, die herausgefiltert wurden – und nun durch achtloses Wegschnipsen in die Umwelt gelangen. Die Zahlen hinter diesem rücksichtslosen Verhalten sind erschreckend: Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO werden von jährlich rund 5,6 Billionen weltweit gerauchten Kippen 4,5 Billionen achtlos weggeworfen. Lückenlos nebeneinandergelegt würden sie eine Fläche von 900 Quadratkilometern bedecken, was etwa der Fläche Berlins entspricht – ein gigantischer Berg an toxischem Müll.
Die Umwelt hat schwer zu kämpfen
Eine Zigarette ist in fünf Minuten geraucht, die Umwelt wird jahrelang damit belastet. Viele Wasserlebewesen können Nahrung und Kippenstummel nicht unterscheiden und nehmen sie in ihr System auf. Das kann nicht nur zu Vergiftungen im Verdauungsapparat führen, sondern auch zum Verhungern trotz gefülltem Magen. Die Auswirkungen auf Meereslebewesen reichen von Genveränderungen und Verhaltensänderungen bis hin zum Tod. Die Tiere werden unfreiwillig mit den giftigen Inhaltsstoffen belastet, die dann in die Nahrungskette gelangen. Vor allem Fische sind wichtig für den ökologischen Zustand aquatischer Systeme – geht es ihnen schlecht, leiden alle Tiere in diesem Lebensraum.
Zudem kann ein Zigarettenstummel 40 Liter Grundwasser vergiften. Wird die Kippe weggeschnipst, werden die gefilterten Chemikalien beim nächsten Wasserkontakt ausgespült. Von da an sind die Gifte nahezu unaufhaltsam auf ihrem Weg ins Grundwasser. Sie gliedern sich in den Wasserkreislauf ein, wodurch am Ende alle von der Gefahr betroffen sind. Chemisch belastetes Wasser kann die Ursache zahlreicher Krankheiten sein.
Rundum schädlich
Eine Studie von Wissenschaftlern des Imperial College London – eine der forschungsstärksten Universitäten der Welt – liefert weitere erschreckende Fakten zum „ökologischen Fußabdruck“ von Zigaretten. Bereits der Tabakanbau belastet durch Waldrodungen und Pestizide die Umwelt. Während der Produktion wird enorm viel Wasser verbraucht und Treibhausgase werden freigesetzt – jährlich um die 0,2 Prozent aller klimaschädlichen Emissionen. Auch die weitere Verarbeitung belastet die Umwelt.
Sogar für Kinder stellen die Abfälle eine Gefahr dar. Auch sie können Kippenstummel oft nicht als das wahrnehmen, was sie sind. Das führt dazu, dass sie die Reste in den Mund nehmen und im schlimmsten Fall sogar verschlucken. Der Giftnotruf Berlin befasst sich jährlich über 250-mal mit der Vergiftung von Kindern durch das Verschlucken von Zigarettenstummeln.
Weg vom „Wegwerf-Reflex“
Stummel werden häufig ohne Zögern weggeworfen. Es scheint, als wäre dieses Verhalten eine Art Reflex. „Ich denk da eigentlich gar nicht drüber nach.“ „Oft ist halt einfach gerade kein Mülleimer neben mir.“ So lauten typische Antworten, wenn man einmal nachfragt.
Das können jedoch keine Ausreden für das fahrlässige Verhalten sein. Auch wenn viele europäische Länder dem Problem den Kampf angesagt haben – beispielsweise durch Verbote oder diskutierte Kostenbeteiligungen der Tabakindustrie – machen laut WHO Zigarettenstummel noch immer 30 bis 40 Prozent des Abfalls aus, der bei Aufräumaktionen in Städten und Küstengewässern anfällt.
Der Weg ist noch weit, bis unsere Parks, Straßen und Gewässer kippenfrei werden. Mit dem Rauchen aufzuhören wäre natürlich die beste Lösung. Aber die richtige Entsorgung – nämlich im Restmüll – ist ein erster und wichtiger Schritt. Unterwegs ist das oft nicht möglich, vor allem wenn weit und breit kein Mülleimer in Sicht ist. In diesem Fall ist ein Taschenaschenbecher, der zum Beispiel auch eine alte Bonbondose sein kann, eine gute Alternative.
Das Wichtigste bei diesem Umweltproblem ist wohl die Aufklärung. Die wenigsten wissen, was das Resultat ihres Verhaltens ist. Wo immer man auf offene Ohren hoffen kann, ist es richtig, rauchende Mitmenschen, die ihre Zigaretten achtlos wegschnipsen, auf die Folgen aufmerksam zu machen und sie zum Umdenken zu motivieren.
Kaya Thielemann
Weitere Informationen: Wikipedia: Zigarettenstummel