25. Mai – für ein nachhaltiges Europa!

Aus DER RABE RALF Ausg. April/Mai 2014, Seiten 1 und 4 

Berlin: Europawahl und Volksentscheid Tempelhofer Feld gemeinsam

Manchmal fragen wir uns: Europa – warum sollen wir uns da beteiligen und engagieren, wo die Politik doch weit weg von uns gemacht wird. Dabei ist Europapolitik allgegenwärtig und zum Teil vor der eigenen Haustür anzutreffen. Wenn es zum Beispiel um das zu renaturierende Fließgewässer hinter dem Haus oder Verordnungen zur Gestalt von Gurken in der Palette im Supermarkt geht.

Seit Beginn des Jahres gibt es zudem eine Neuerung bei den Europawahlen. Die Drei-Prozent-Hürde ist durch das Bundesverfassungsgericht gekippt worden. Die natürliche Hürde von 1,8 Prozent bleibt bestehen. Für kleine Parteien ist damit ein Meilenstein gelegt worden. Es ist zu erwarten, dass das Europäische Parlament damit deutlich heterogener wird, insbesondere auch aufgrund der deutschen Parteienlandschaft. Einem gerechteren und demokratischeren Wahlprocedere in Europa steht demnach nichts mehr im Weg. Dennoch gilt es, eine hohe Wahlbeteiligung aus dem demokratischen Lager zu erzielen, um kleinen rechtspopulistischen und -extremen Parteien den Weg ins Parlament zu versperren.

Entscheidend für die Wahl wird sein, wer mit einem inhaltlich gut aufgestellten Programm punkten kann. Der Deutsche Naturschutzring (DNR), seines Zeichens Dachverband der im Natur- und Umweltschutz tätigen Vereine, hat sich angesichts der wachsenden Defizite im Umweltbereich und der vielfältigen Nutzungsansprüche nun auch inhaltlich zu den Europawahlen positioniert.

Forderungen des DNR

Politisches Kernthema der Umweltverbände ist und bleibt die konsequente Umsetzung der Energiewende in Europa. Ein dazu von der EU-Kommission im Januar vorgelegter Vorschlag für ein neues Klima- und Energiepaket für 2030 lässt einen Stillstand beim Energiesparen und dem Einsatz erneuerbarer Energien vermuten. Um einen weiteren kritischen Anstieg der Erderwärmung zu verhindern, müssen die europäischen Treibhausgas-Emissionen bis ins Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent durch den schrittweisen Ausstieg aus den fossilen Energien (gravierende Unterschiede in den EU-Mitgliedsstaaten) gesenkt werden. Die erneuerbaren
Energien sollten unter strikter Beachtung der Naturschutzrichtlinien der EU auf 45 Prozent weiter konsequent ausgebaut und der Endenergieverbrauch um 40 Prozent verringert werden.

Im Bereich Landwirtschaft setzen sich die Naturschutzverbände für die Förderung einer bäuerlichen und ökologischen Agrarkultur im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik ein. In der Ernährungspolitik muss sich die Europäische Union für das Konzept der Ernährungssouveränität einsetzen und von ihrer exportorientierten Agrarproduktion Abstand nehmen. Auch sollten heimische Futtermittelpflanzen (zum Beispiel Leguminosen) verstärkt genutzt werden, um die schwindende Biodiversität in der EU zu erhöhen. Der Import von 37 Millionen Tonnen Soja aus den Erzeugerländern ist unnütz, denn vor Ort werden Monokulturen geschaffen, die den Boden und die Vielfalt zerstören sowie das heimische Potential ungenutzt gelassen. Auch ist eine grundlegende Umstrukturierung unserer (Massen-)Tierhaltung anzustreben.

Eine weitere wichtige Kernforderung der Naturschutzverbände ist die Verhinderung des Transatlantischen Freihandelsabkommens, das auf Deregulierung und Liberalisierung der Handelsbeziehungen abzielt. Zu befürchten ist, dass mit dem Abkommen das EU-Vorsorgeprinzip umgangen wird, weil schwächere Standards in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittel und Umwelt europaweit anerkannt würden und die Kennzeichnungspflicht aufgeweicht würde. Auch die Intransparenz der bisherigen Verhandlungen, die schon weit fortgeschritten sind, und das Zurückhalten von Vertragsentwürfen wird kritisch betrachtet.

Biodiversitätsverlust verhindern und die Verschlechterung der Ökosysteme bis 2020 stoppen sowie geschädigte Ökosysteme, soweit möglich, wieder herstellen – dazu hatte sich die Europäische Union in einem umfassenden Naturschutzrecht verpflichtet. Als größtes Schutzgebietssystem der Welt weisen ihre Mitgliedsstaaten jedoch noch immer große Defizite in der Umsetzung dieses Rechts auf. Das Schutzgebietsnetzwerk Natura-2000 muss entsprechend seiner Aufgaben mit verbindlichen Managementplänen unterstützt werden, deren ausreichende Finanzierung sowie die bessere Kontrolle der Bestimmungen sichergestellt und die Kompetenzen der EU-Kommission dahingehend erweitert werden. Selbiges gilt für die Umsetzung beziehungsweise Untersetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und eine menschenwürdige Politik im Trink- und Abwassermanagement für alle Bürgerinnen und Bürger.

Besonderheit Berlin – Tempelhofer Feld

In Berlin geht es am 25. Mai erneut um die Wurst beziehungsweise das Feld. Gleich zwei Wahlentscheidungen stehen in der Hauptstadt für ihre Bürgerinnen und Bürger an. Denn anders als beim Volksentscheid „Neue Energie für Berlin“ entschied der Berliner Senat hier zugunsten der Initiative 100% Tempelhofer Feld – was den Abstimmungstermin betrifft. Europawahl und Volksentscheid finden am selben Tag statt, was ein Mindestmaß an demokratischer Beteiligung sicherstellt und den finanziellen Mehraufwand für die Kommune deutlich senkt.

Unglücklicherweise kam es in den vergangenen zwei Monaten aber zu keinem gemeinsamen Kompromissvorschlag aller im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen, so dass sich zwei Vorschläge gegenüber stehen werden – der verschriftlichte Masterplan des Senates, getragen von SPD und CDU, sowie der Gesetzentwurf der Bürgerinitiative für 100 Prozent Tempelhofer Feld ohne Veränderungen. Die Oppositionsparteien begründen das Scheitern eines gemeinsamen Vorschlages damit, dass die Koalition nicht genügend bereit war, sich zu bewegen. So lehnten SPD und CDU eine konkrete verbindliche Festlegung der Anzahl der Wohnungen zu langfristig sozialverträglichen Mieten, die am Rande des Feldes entstehen sollen, ab. Steffen Zillich, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, erklärte, dass die Flächen zweifelsohne im öffentlichen Eigentum bleiben und für die Öffentlichkeit einen Nutzen bringen müssen. Der dort entstehende Wohnraum müsse für die Mehrheit der Berliner und Berliner bezahlbar sein – verbindlich.

Auch ein vorgeschlagenes Prüfverfahren zur eigentlichen Größe der freien Fläche, die im Masterplan laut Senat 230 Hektar betragen soll, nach Rechnung der Grünen allerdings nur 204 Hektar, wurde von der Koalition abgelehnt. Großen Dissens gab es darüber hinaus im Punkt Bürgerbeteiligung, die im Masterplan keine Rolle spielt. Antje Kapek, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, meint, dass  Bürgerinnen und Bürger nicht per se ein Problem mit der Randbebauung des Feldes haben sondern vielmehr mit dem Verfahren.

Jedoch fordert die Bürgerinitiative 100% Tempelhofer Feld in ihrem Gesetzentwurf den vollkommenen Verzicht auf eine Bebauung des Feldes und die vollständige öffentliche Zugänglichkeit und den Erhalt der einzigartigen Freifläche.

Fazit

In diesem Jahr ist aufgrund des Falls der Drei-Prozent-Hürde bei den Europawahlen umso mehr von Bedeutung, dass sich der demokratische Wähleranteil erhöht, um Parteien mit rechtem Gedankengut keine Tür ins Europaparlament zu öffnen.

Sowohl bei der Europawahl als auch beim Volksentscheid über die Zukunft des Tempelhofer Feldes in Berlin am 25. Mai: Machen Sie von Ihrem Recht auf politische Mitbestimmung Gebrauch! Gehen Sie zur Wahl, beteiligen Sie sich – und entscheiden Sie nachhaltig.

Janine Behrens


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