Konsequent inkonsequent

Aus DER RABE RALF August/September 2014, Seite 3

Brandenburg beschließt Erweiterung des Braunkohletagebaus Welzow-Süd

Bedingt durch den Klima- und Umweltkiller Braunkohle nimmt die Verockerung der Spree in Brandenburg weiter ihren Lauf. Das Eisenhydroxid, das beim Braunkohleabbau in Verbindung mit Sauerstoff und Grundwasser entsteht, nimmt Flora und Fauna im Brandenburgischen Spreewald zunehmend die Lebensgrundlage. Auch der Tourismus, Haupterwerb für viele Spreewaldbewohner_innen, leidet unter diesem Phänomen, denn schön anzusehen ist die rotbraune Eisensuppe nicht.

Hinzu kommt die stetig steigende Versalzung der Spree – ebenfalls ein lästiges Nebenprodukt der Braunkohleförderung. Die Sulfate – durch den Bergbau in Lösung gehende Schwefelverbindungen – werden über die Oberflächengewässer, insbesondere mit dem Spreewasser, über weite Strecken hinweg transportiert und finden ihren Weg so auch nach Berlin. Bis jetzt sind die Grenzwerte für Sulfat noch nicht erreicht, die Belastung des Trinkwassers droht jedoch mit neunen beziehungsweise erweiterten Braunkohletagebauen zu steigen. In hohen Konzentrationen greift Sulfat zudem auch Beton an – insbesondere die Spannbetonbrücken aus den 60er Jahren können nach und nach beschädigt werden. Die Kosten für die (zukünftig) notwendige Sanierung wird wohl nicht der Verursacher, sondern der Steuerzahler tragen dürfen. Die großen Energiekonzerne drücken sich ja seit jeher vor den Folgen ihrer Wirtschaft.
Mittelfristig, also bis etwa 2040, muss Braunkohle aus genannten Gründen als Energieträger abgelöst werden – bestehende Tätigkeiten aktiver Tagebaue könnten einfach auslaufen.

LINKE von Braunkohle-Lobby eingeholt

Ein mittelfristiger Ausstieg aus der Braunkohleverstromung und für eine konsequente Energiewende – dass entspricht der Beschlusslage der Bundespartei der LINKEN. In Brandenburg jedoch herrscht wieder einmal Ausnahmezustand.

Mit Zustimmung der LINKEN hat die SPD in Brandenburgs Regierungskabinett nun die Erweiterung des Braunkohletagebaus Welzow-Süd beschlossen. Folgerichtig verlangt diese Entscheidung die Zwangsumsiedlung der Bewohnerinnen und Bewohner des sich selbst versorgenden Bioenergiedorfes (paradox!) Proschim zugunsten der Erweiterungspläne des Kohlekonzerns Vattenfall. Insgesamt 810 Menschen aus Proschim und Welzow sollen für
210 Millionen Tonnen Rohbraunkohle ihre Heimat verlassen.

Häufig wird die Notwendigkeit neuer Tagebaue auch damit begründet, in den eh schon strukturschwachen Regionen Brandenburgs mit einem Wegfall der Braunkohleverstromung Arbeitsplätze zu erhalten. Doch selbst wenn neue Tagebaue entstünden, würde die Zahl der Arbeitsplätze in der Lausitz weiter abnehmen – ein seit Jahren beobachtbarer Trend. Eine verbindliche Garantie für die Arbeitsplatzzahlen kann niemand abgeben. Zudem versucht sich Vattenfall hier und dort seiner Kohlekraftwerke zu entledigen. Bundesweit schaffen erneuerbare Energien bereits jetzt deutlich mehr Arbeitsplätze als konventionelle Energieträger – in Brandenburg sind es etwa genauso viele Arbeitsplätze wie bei der Braunkohle. Die Schwierigkeiten der Energiewirtschaft liegen nicht bei fehlenden Arbeitsplätzen sondern beim Fachkräftemangel.

Der Bedarf für Welzow-Süd II wäre nur dann begründbar, wenn der Braunkohleplan dem Gemeinwohl dienen würde und von einer Kohleverstromung in der gesamten Lausitz bis ins Jahr 2067 ausgegangen wird. Als Teil der gemeinsamen Landesplanung seit 1995 steht diese Entscheidung nicht im Einklang mit den gemeinsamen klimapolitischen Zielen der Länder Berlin und Brandenburg und ist energiepolitischer Irrsinn. So wollte Berlin bis ins Jahr 2050 klimaneutrale Stadt werden: Bei der derzeitigen Planung ist das in einhundert Jahren nicht zu erreichen. Der amtierende Berliner SPD/CDU-Senat scheint seine Verantwortung zu ignorieren.
Auf Kosten von Bürgerinnen und Bürgern und deren Rechte macht Brandenburgs Linke alles, um den Sozialdemokraten zu gefallen. Ein Wahlkampfslogan der Linken zur Landtagswahl 2009 lautete: „Konsequent gegen neue Tagebaue“. Und überhaupt gab man sich sehr konsequent im Wahlkampf – da kann man im Angesicht solcher Entscheidungen nur sagen: konsequent inkonsequent.

Ein Zeichen setzen – Menschenkette

Um dieser Inkonsequenz entgegenzutreten, hat sich ein breites und vielfältiges Bündnis formiert. Neben dem Berliner Energietisch unterstützt auch die GRÜNE LIGA das Bündnis aktiv; der Arbeitskreis Braunkohle begleitet die Thematik seit Jahren kritisch.

Am 23. August wird in der Lausitz südlich von Guben/Gubin zwischen Deutschland und Polen von 13.45 bis 14.15 Uhr eine Menschenkette entstehen. Sie verbindet die Kirche in Kerkwitz auf der deutschen Seite mit der Grundschule in Grabice auf der polnischen Seite. Beide Orte wie auch der Großteil des Gebiets, auf dem die etwa acht Kilometer lange Strecke verläuft, sind von der Abbaggerung bedroht. Entlang der Neiße droht den Bürger_innen eine unzumutbare Randlage auf einem schmalen Streifen zwischen Tagebau und Staatsgrenze. Im Anschluss an die Menschenkette und die Kundgebung wird ein Festival stattfinden.

Für 19 Euro fahren Busse ab 8 Uhr von der O2-World (Berlin, nahe Ostbahnhof) in Richtung Lausitz, um 18 und 22 Uhr fahren die Busse wieder zurück. Tickets sind unter anderem bei der GRÜNEN LIGA Berlin (Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin) erhältlich.

Janine Behrens


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