Wir sahen das Land und es war totes Land

El Instituto Terra und die Bulcão Farm

Sebastião Salgado ist vor allem in der Welt der Kunst und Fotografie eine bekannte Größe. In seiner Fotoausstellung „Genesis“ beschäftigt er sich, nach jahrelangem Arbeiten zum menschlichen Elend und sozialen Missständen, erstmals mit der unberührten Natur. Genesis, die Schöpfungsgeschichte, als alles begann und der Mensch sich noch nicht über die Natur erhob. Salgado möchte mit seiner Arbeit darauf hinweisen, dass nach wie vor 46 Prozent der Welt unberührt sind. Der Titel Genesis spielt keine religiöse Rolle, sondern bedeutet für Salgado den Anfang allen Seins und Ursprünglichkeit. Seine Fotos erzählen Geschichten von Tieren, Wäldern, Meeren, Wüsten, Gletschern und Bergen. Wim Wenders drehte, nach einer Bitte Salgados, mit ihm und seinem Sohn Juliano Salgado eine Dokumentation über seine Werke. In „Das Salz der Erde“ erzählte er, wie ihn der Mut und Lebenswille nach seinen Abenteuern und Erfahrungen verließ und er mithilfe eines Projektes wieder ins Leben fand. Zusammen mit seiner Frau Lélia Deluiz Wanick gründete er 1994 das Regenwaldprojekt Instituto Terra, welches ihn zu „Genesis“ inspirierte.

Die Farm Bulcão

Alles begann in Aimorés, Brasilien, der Ort in dem Sebastião Salgado aufwuchs. Seine Eltern hatten ein großes Landstück, eine Fazenda, welches zum Großteil von Regenwald bedeckt war. Dort wuchs Salgado zusammen mit etwa 25 anderen Familien auf.
1964 bis 1985 war ein freies Leben in Brasilien, aufgrund der Militärdiktatur, nicht länger möglich. Darum entschieden Salgado und Lélia, die aktiv gegen die Diktatur kämpften, aus Sicherheitsgründen Brasilien zu verlassen und zogen 1969 nach Paris.
Sebastião Salgados photographische Arbeit brachte ihn wiederholt in die Krisengebiete der Erde. So traf er immer wieder auf durch Armut, Katastrophen und Kriege zerrüttete Menschen und Orte, was ihm seelisch zu schaffen machte. Um wieder Ruhe, Freude und Ausgeglichenheit in sein Leben zu bringen, beschloss das Ehepaar Salgado 1998 nach Brasilien zurückzukehren, dorthin wo Sebastião aufwuchs.

Auf der Bulcão-Farm mussten die beiden feststellen, dass sich einiges verändert hatte. Der Regenwald war gerodet worden und der Boden war durch permanente landwirtschaftliche Ausbeutung trocken und unfruchtbar geworden. „Wir sahen das Land und es war totes Land“, so Salgado in einem Interview. Die beiden hatten eine Vision: Das Gelände wieder aufforsten und die Natur zurückholen. Mit einem Freund und Regenwaldexperten wurde lange überlegt und geplant. Durch eine große Crowdfunding-Aktion sammelten sie schließlich das nötige Geld, um, mit der Hilfe von anderen Bewohnern der Region, 2.5 Millionen Bäume zu pflanzen. Inzwischen wachsen etwa 293 verschiedene Pflanzen- und Baumarten auf dem Gelände. Außerdem wurden bisher etwa 172 Vogel-, 33 Säugetier-, sowie jeweils 15 Amphibien- und Reptilienarten auf dem Gelände entdeckt. Heute ist die Farm ein bekanntes Beispiel und Vorbild – vor allem aber der Beweis für funktionierende Aufforstungstechniken. Die Salgados schenkten sie dem brasilianischen Staat als Nationalpark.

El Instituto Terra

Die NGO El Intstituto Terra beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Aufforstung von Brachland. So wurde auf der Fazenda ein Umweltbildungsinstitut errichtet, um den Einheimischen bewusst zu machen, welche Bedeutung der Regenwald, vor allem für sie, hat. Durch ihn hat sich die Wasserqualität in dem Gebiet gebessert und der Boden wird vor Erosion und Degradation geschützt.
Das Institut hat unter anderem auch eine Initiative für nachhaltige Landwirtschaft gegründet. Bauern der Region erhalten im Institut Unterricht und Ausbildung in verschiedenen nachhaltigen Wirtschaftstechniken. Ein Farmer erzählte in dem Vorstellungsvideo des Instituto Terras, dass durch die Fütterung der Kühe mit qualitativ hochwertigem Futter und viel Auslauf, sich die Milchproduktion um 100 Prozent steigerte. Selbst Kühe von denen angenommen wurde, sie könnten gar keine Milch geben, hätten angefangen wieder Milch zu produzieren, so der Bauer. Zudem hätten sie nun ein sicheres und einheitliches Einkommen, das es ermöglicht, Schulden und Rechnungen zu bezahlen.

Auf der Fazenda Bulcão werden zusätzlich Baumsetzlinge gezüchtet und Samen von regionalen Regenwaldbäumen gewonnen. Sie werden für weitere Aufforstungsarbeiten verwendet. Zahlreiche freiwillige Helfer, Schüler und Mitarbeiter kümmern sich liebevoll um die kleinen Setzlinge und ziehen diese bis zu einer bestimmten Größe heran. Anschließend werden die Bäume eingepflanzt und solange gepflegt, bis sie selbstständig leben können.
Die Familie Salgado und ihre Organisation unterstützt außerdem eine Kampagne der Menschenrechtsorganisation Survival International zum Schutz Indigener Völker, wie die Awás in Brasilien. Diese werden durch die Rodung der Wälder bedroht, da ihr natürlicher Lebensraum zerstört wird.

Zurück zur Vergangenheit?

Das Instituto Terra versucht in Brasilien etwas zu bewirken und hat bereits mehr geschafft, als auf den ersten Blick wahrnehmbar ist. Es beschäftigt sich mit der Zukunft seines Landes und der ganzen Welt.

Sebastião Salgado betont immer wieder, dass gerade die Indigenen Völker Vorbilder für die Zukunft der Menschheit sein könnten. Sie leben im Einklang mit der Natur, nehmen nur so viel, wie sie auch geben oder die Natur verkraften kann. Sie sind noch Teil eines funktionierenden Ökosystems. Salgado sagte in einem Interview: „Wir müssen ein wenig zurückgehen, dann können wir dem Planeten viel zurückgeben, was wir zerstört haben, um das Gleichgewicht wiederherzustellen, das wir zum Leben brauchen, wie auch die Tiere.“
Letzten Endes ist dies nichts anderes, als eine Aufforderung, unsere technischen und wissenschaftlichen Fortschritte endlich dafür zu nutzen, das Leben mit der Natur zu gestalteten, ohne sie dabei auszubeuten. Gleichzeitig ist es sinnvoll, sich mit den ursprünglichen Methoden und dem Wissen der indigenen Völker vertraut zu machen, da sie die Natur am besten kennen und somit auch nutzen können. Zahlreiche Projekte weltweit, wie die Bulcão-Farm, sind der Beweis dafür, dass es wirtschaftliche Methoden gibt, die in der Natur funktionieren, und dass mit der Kombination aus moderner Technik und ursprünglichen Methoden eine nachhaltige Utopie verwirklicht werden kann.

Leonie Sommer


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