Reden wir vom Wetter
Klassisch ist unser Verhältnis zum Wetter. Kaum ein Gespräch geht an ihm vorbei. Besonders hier auf dem Lande: nach den Jahreszeiten ist es das Wetter, das die größte Aufmerksamkeit verlangt. Pflügen einen Tag zu früh kann schlimme Folgen haben, einen Tag zu spät kann ein verlorenes Jahr bedeuten. Die richtige Arbeit am richtigen Tag zu tun bringt große Erleichterung und auch Befriedigung: man ist mit Wind, Sonne und Regen im Einklang, man kämpft nicht gegen sie. Gewiß, ein 70-PS-Trecker kann auch im ”falschen” Moment arbeiten, aber wie immer steigt der Energieverbrauch.
Es scheint menschlich zu sein, das jeweilige Wetter mit Emotionen zu bedenken: ”Hundewetter, Sauwetter…” sagen viel über unser Verhältnis zur Natur. Doch es gibt kein schlechtes Wetter. Jedes Wetter ist gut. Das Wetter gehörte zu den Bedingungen, die vor Jahrmillionen unser Entstehen begünstigten, und es hat sich seitdem kaum geändert. Wir dagegen tun es, und zwar nicht zum Besseren.
Wie den Wechsel von Sommer und Winter sollten wir auch das Wetter und seinen Wechsel anerkennen. Wenn das Wetter ”schlecht” ist für das, was wir zu tun beabsichtigten, sollen wir tun, was das Wetter uns zu tun gestattet. Akzeptieren wir die Kraft des Windes und des Regens, versuchen wir nicht, größer zu sein als sie. Im Einklang mit der Natur leben – ist ein schöner Satz. Hier können wir ihn verwirklichen. Jeden Tag. Und mit jedem Tag werden wir die Melodie des Windes deutlicher hören und den Rhythmus des Regens.
Im Osten, erzählte man uns, seien die Mägde (!) auch barfuß durch den Winter gekommen. In Finnland haben wir Leute gesehen, die ein Loch ins Eis hackten, um ein Bad darin zu nehmen. Gewohnheitssache, sagten sie.
Die Indianer sprechen davon, daß ”am Ende unserer Welt eine Zeit großer Hitze und eine Zeit großer Kälte” kommen werden. Wir sollten uns darauf vorbereiten, sagen sie.
Der Mond
Wenn schon die Sonne im Bewußtsein unserer Gesellschaft kaum einen Platz hat – wieviel weniger dann der Mond! Und doch beeinflußt er unser Leben mit seinen vielfältigen Rhythmen. Wer in biodynamischer Anbauweise bewandert ist, weiß, daß der Mond alles Pflanzenwachstum rhythmisch beeinflußt. Die Untersuchungen von Maria Thun und ihr Saatkalender waren uns Anlaß, uns näher mit dem Mond und seiner Bahn zu beschäftigen. Dabei haben wir überraschende Beobachtungen gemacht.
Wer weiß zum Beispiel noch, daß der Mond die Jahressonnenbahn in jedem Monat einmal durchläuft, daß er einmal tief über den Südhorizont geht wie die Sonne zu Weihnachten und vierzehn Tage später hoch durch den Himmel zieht wie die Sonne zu Johannis (23. Juni)?
Da wir uns nicht elektrisch beleuchten und auch das Tal sonst kein künstliches Licht kennt, haben wir darüber hinaus schon bald bemerkt, daß im Winter der Vollmond am höchsten Punkt der Bahn steht, die Winternächte also während vier oder fünf Tagen ausgiebig erhellt. Im Sommer ist das Gegenteil der Fall.
Astronomisch gesehen, läßt sich das einfach erklären: Von der Erde aus gesehen ist der Mond ”voll”, wenn er der Sonne genau gegenüber am Himmel steht, an dem Punkt also, an dem die Sonne ein halbes Jahr früher stand (oder ein halbes Jahr später wieder stehen wird). Auch die anderen Phasen des Mondes lassen sich auf diese Weise leicht lokalisieren: Jedes ”Viertel” des Mondes eilt der Sonne in ihrer Bahn um ein Vierteljahr voraus, während der Neumond mehr oder weniger genau vor der Sonne steht.
Wenn man nun weiß, wie wichtig die absteigende Phase des Mondes ist (die Phase also, die dem Absteigen der Sonne von Johannis bis Weihnachten entspricht), während der man Kompost ausbreiten, die Erde bearbeiten, Bäume pflanzen und pikieren soll, dann wird einem die obige Regel eine gute Hilfe sein: man überlegt, wie weit die Sonne heute von Johannis entfernt ist, um zu wissen, bei welchem Viertel des Mondes dieser seine absteigende Bahn beginnt: zu Johannis ist es der Neumond, im Frühjahr das erste Viertel, zu Weihnachten der Vollmond und im Herbst das letzte Viertel.
Noch genauer muß man die Mondbahn kennen, um die Saattage in Feld und Garten zu finden. Ich will das an dieser Stelle nicht weiter ausführen, aber dies sei gesagt: auch die günstigsten Saattage lassen sich anhand einfacher Beobachtungen leicht bestimmen.
Ich lege auf diese eigenen Beobachtungen persönlich großen Wert: einmal bewegt man sich bei seiner Arbeit im Einklang mit den Einflüssen des Kosmos, und zum anderen ist diese Beziehung eine ganz unmittelbare. Wir brauchen nur zu sehen, um zu wissen.
Dann möchte ich erwähnen, mit wieviel Freude wir die erste Sichel des neuen Mondes begrüßen, die sich über dem Abendhorizont nach der Sonne (und nur dort) zeigt. Wenn dann von Tag zu Tag der Abstand zur Sonne größer, das Untergehen später und der Mond voller wird, haben wir das Gefühl, an einer Evolution teilzunehmen. Besonders anschaulich ist dieses Fortschreiten, wenn der Mond auf seiner Bahn an einem hellen Planeten vorbeiwandert, wie Venus oder Jupiter.
Wißt ihr eigentlich, welchen Weg der Mond von einem Tag zum anderen zurücklegt? Es ist mehr, als die ausgestreckte Faust am Himmel verdeckt.
Ich möchte gar nicht weiter von den Schwankungen der Mondbahn, den Mondknoten und den Finsternissen sprechen – ich habe das alles zum Teil auch nur erwähnt, um zu zeigen, daß das Leben nicht ärmer wird, wenn man sich von den Lichtern der Großstädte entfernt. Man sieht andere Dinge, lebende Dinge, Dinge, die bereichern, den Mond zum Beispiel. Von den Sternen ganz zu schweigen und den Tieren, Pflanzen und Bäumen.
Ein Meer haben wir nicht, aber es rauscht ein Bach durch unser Tal. Und wir haben unseren Kindern schon erklärt, wie sie zum Meer kommen können: indem sie diesem Bach nachgehen.
Und Berge haben wir und Wind und Wolken. Was wollen wir mehr?
Gisbert Bölling: Einfach anders leben, Der Grüne Zweig 55, Verl. Werner Pieper, 36 S. A4.