Klösterliche Gemeinschaften

Klösterliche Gemeinschaften entstehen in allen größeren Religionsgemeinschaften und beginnen fast immer mit dem Herauslösen Einzelner aus ihren gesellschaftlichen und persönlichen Bindungen, verbunden mit der vollkommenen Absage an das gesellschaftliche Wertesystem (z.B. um 300 n.Chr. Antonius). Im Laufe der Entwicklung tritt zu ihrer asketischen Lebensweise innerhalb der sozialen Gemeinde das Leben in der Einsamkeit. Vor allem in Krisenzeiten ziehen sie Menschen an. Pachomius, ein Zeitgenosse von Antonius, setzt an die Stelle des Einsiedlerdaseins das Klosterleben. Die Zucht des Geistes, scharfes Bemühen um sittliche Würde, Todesverachtung, Enthaltsamkeit, Demut und Gehorsam sowie regelmäßiges Gebet sind feste Bestandteile der von den Gemeinschaften aufgestellten Regeln, in denen sie wie die ersten Apostel die Nachfolge Jesu antreten wollen. Vom Mittelmeerraum breiten sich die Gemeinschaften in verschiedenen Orden über ganz Europa aus. Die daraus erwachsenen Klostergründungen schließen nach und nach neben den Wohnzellen, Wirtschaftsbauten, der Kirche und dem Refektorium Schulbauten, Hospitäler und Werkstätten mit ein. Als Idealplan für die Anlage eines Klosters gilt der Plan von St. Gallen (um 825), der während des ganzen Mittelalters jeweils den örtlichen Bedingungen angepaßt wird.

Erst die Bettelorden, die in den Organismus des städtischen Gemeinwesens eingeordnet sind, können auf Wirtschaftsbauten verzichten. Andere Orden bleiben ewiger Wanderschaft verpflichtet: ”Nicht die Architektur, vielmehr die Natur, die Auswahl des Ortes und das Verharren im Grandios-Unwirtlichen kennzeichnen den Klostergeist.” [1]

Das Motiv der Reformen durchzieht die gesamte Geschichte des Mönchtums. Es war dies die ständige Erneuerung des Ur-Ideals der apostolischen Nachfolge Christi in Besitzlosigkeit, frei von jeglicher Bindung in der Welt und unbedingt dem göttlichen Gebot untertan. Daher ist das Mönchtum durchdrungen von Elitebewußtsein. Der Mönch soll fähig werden, sowohl in den Urzustand des Paradieses zurückzukehren als auch den Ewigkeitszustand des endzeitlichen Paradieses vorwegzunehmen und Christus als dem Leidenden und dem König zu begegnen. [2]

Benediktiner und Zisterzienser

Benedikt von Nursia (480-553) lebt lange Zeit als Einsiedler, gründet dann Gemeinschaften und ab 529 feste Niederlassungen, denen sich andere Klöster anschließen. Mit den Orten Cluny (Frankreich) und Hirsau (Deutschland) verbindet sich eng die Verbreitung und der Niedergang des Benediktiner-Ordens. Die Kirchen sind nach frühen Vorbildern Basiliken, teilweise mit Atrium, Vorkirche und mehr oder weniger ausladenden Seiten- und Querschiffen. In den Gründerjahren des Ordens sind die Kirchen einfach und schmucklos, später überreich und sinnlich ausgestattet. Die Reformforderungen innerhalb des Ordens erstrecken sich auf die gesamte Kirche und die Machtverhältnisse in der Welt. Dadurch entsteht eine Art Auffangbewegung für ”ketzerische” Volksströmungen, die gesellschaftsgefährdende Kritik üben. Es gründen sich Laiengemeinschaften, auch von Frauen, die unter geistlicher Leitung ein an mönchischem Dasein orientiertes Leben führen, in dem Wunsch, das Ideal der Urchristenheit zu verwirklichen .

Das Gebot der Armut ist seit jeher das am schwersten zu realisierende, da jede Institutionalisierung des Klosters zu Besitz und schließlich zu Macht in der Welt führen muß. Jede Reform, die zur Erneuerung der Besitzlosigkeit aufruft, gefährdet deshalb die Institution, um deren Erhalt es eigentlich geht. Die Zisterzienser (verbreitet von Bernhard von Clairvaux 1098) stellen neue Normen für das Mönchtum auf und setzen den kirchlich nicht mehr kontrollierbaren gesellschaftlichen Bewegungen ihre Grenzen. Sie machten sich deren Protesthaltung zu eigen und sogen sie mit ihrem Gebot der Beständigkeit, des Bleibens an einem Ort und des liebevollen Zusammenhalts in sich auf.

Durch das Armutsgebot erwächst den Zisterziensern aus Armut Reichtum und aus dem Ordnungsverlangen erblüht Kunst. Da aber aller Aufwand verboten, jedoch Klarheit, Reinlichkeit und Dauerhaftigkeit befohlen ist, wenden die Zisterzienser ihre Aufmerksamkeit dem Stein zu, seiner sorgsamen Bearbeitung, seinem Gefüge und den Proportionen der Räume. ”Vollkommen in ihren Proportionen stimmen sie mit den Verhältnissen der vollkommenen musikalischen Konsonanzen überein.” (Villard de Honnecourt [1]) ”Raumgestalt und Steinmaterial werden zu Bedeutungsträgern: so die Brunnen zu Gehäusen des fließenden Wassers…” [1]

Bettel-, Prediger- und Gebetsorden

”Die Prämonstratenser gründen als erster Orden in der Geschichte des mittelalterlichen Mönchtums nicht auf dem Lande, sondern auch in der Nähe von Städten ihre Niederlassungen.” [2]

Ähnlich den Norbertinern, Kartharern, Waldensern und anderen ”ketzerischen” Bewegungen, die sich gegen die großkirchliche Lehre wenden und den Armen im Priesteramt verlangen, lehren im 13. Jahrhundert die Bettelmönche das Evangelium und rufen zur Erneuerung der Gemeinde der Heiligen auf. Das Benediktinische Gebot zu lebenslangem Verbleib in einem Kloster weicht dem missionarischen Wandern auf den großen Handelsstraßen Europas. Die ”Minderen Brüder” – wie sich die Franziskaner nennen – beziehen Arme und Reiche, Himmel und Erde, Tiere, Pflanzen und die Elemente in Gottes allumfassende Liebe ein. Die Dominikaner wenden sich nicht wie die Franziskaner durch Ansprache des Gefühls an die Armen, sondern erkämpfen sich durch gründliche theologische Schulung und Hinwendung zu den Wissenschaften einen einen Platz an den Hochschulen und Universitäten, z.B. Albertus Magnus und Thomas von Aquin.

Ihre ”Behausungen” werden durch die Integration der Bettelmönche in die städtische Gesellschaft von den Bürgern gestiftet. Ihr Repräsentationssinn spricht dann auch aus allen Bettelordenskirchen, die gleich einer Hülle alle Individualitäten wie die sich versammelnde Gemeinde in sich aufnimmt. Mit dem Wachsen dieser beiden Bewegungen vollzieht sich in ihren Ordenskirchen ein Dimensionssprung frühchristlicher Architektur. Aus der antiken Markthalle und der frühchristlichen Basilika entsteht der franziskanische Saal und die dominikanische Halle, in der Literatur als das Entstehen des In-Sich-Ruhenden-Raumes bezeichnet. [2]

Die Kapuziner bilden mit ihrer äußersten Armut – nicht nur der Einzelnen, sondern des gesamten Ordens – im 15./16. Jahrhundert eine Ausnahme in der Nachfolge der Lehre des Heiligen Franz von Assisi.

Die Kartäuser konnten einen völlig neuen Klostertyp herausbilden – die Kartause, die immer nur 12 Mönche und einen Prior beherbergt. Jeder lebt und betet für sich allein in der Zelle. Man versammelt sich zur täglichen Messe und ißt nur an den Sonntagen und an bestimmten Feiertagen gemeinsam und hört die Lesung. Zur Einsamkeit kommt das Schweigen, das nur wenige Stunden in der Woche gebrochen werden darf. ”Leben aus Gott und für Gott allein, das ist das tiefste Geheimnis der Kartäusereinsamkeit. Nichts mehr wollen, nichts mehr wissen, nichts mehr besitzen außer Gott und Gott allein, … wir Kartäuser wollen durch unser äußeres und inneres Schweigen lediglich ein Gefäß sein, das wir Gott hinhalten, damit ER … uns erfülle. … Es geht nicht um unser kleines ICH. Es geht um Gott, den allein Heiligen, der allein der Herr ist.” [3]

Lutz Dimter und Jörg Wappler

Literatur:

[1] Braunfels, Wolfgang: Abendländische Klosterbaukunst, DuMont Buchverlag, Köln 1978

[2] Badstübner, Ernst: Kirchen der Mönche, Editio Tusch Wien/Union Verlag Berlin 1990

[3] Zadnikar, Marijan/Wienand, Adam: Die Kartäuser, Wienand Verlag, Köln 1983

Aus: „Wohngemeinschaften. Gedanken – Geschichte – Thesen“ von Lutz Dimter und Jörg Wappler, Diplomarbeit an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Studiengang Architektur; Berlin 1996.

Leserinnenbrief

Arbeitslager

Das Thema finde ich sehr interessant, vorausgesetzt, es werden die vielfältigen Arten von ”Gemeinschaft” entsprechend ihren unterschiedlichen Zwecken, Organisationsformen und sonstigen damit verbundenen Strukturen gründlich unterschieden.

Bei dem saloppen Marsch der beiden Autoren vom Kloster zum Ökodorf vermisse ich das sehr. Haben sie in ihrem Studium an der Kunsthochschule noch nie von den keineswegs zufälligen Ähnlichkeiten zwischen Kloster und Fabrik gehört? Noch nie davon, daß die Klöster in ihrer abendländischen römisch-christlichen Entwicklung vorwiegend Arbeitslager waren? Das Gerede vom ”Gebot der Armut” galt nur für die arbeitende Bevölkerung, d.h. hier: für die einfachen Mönche. Der Klerus der Klöster war reich und die Orden mächtig. Sie verfügten stets über die schlagkräftigsten Ritterheere; wo beispielsweise die Zisterzienser auftauchten, waren auch die Deutschordensritter. Die Zisterzienser waren überall in Europa Wegbereiter des Kapitalismus. Sie gründeten ihre Klöster dort, wo es etwas ”zu holen” gab und zerstörten zu diesem Zweck (!) systematisch die Kultur der dort ansässigen Bevölkerung: z.B. die Bewässerungsysteme, Ortsgemeinschaften und das gut entwickelte Landbau-System der ”Slawen” in Mecklenburg. Die Bevölkerung um die Klöster herum wurde zu Arbeitsmönchen versklavt; in Chorin beispielsweise ist durch Chroniken belegt, daß bis in unser Jahrhundert das nahegelegene Kloster gefürchtet und gemieden wurde. Das steingewordene ”Ordnungsverlangen” der Mönchsritter vor ihrer Haustür nötigt ihnen also ganz realitätsgerecht keineswegs jene Bewunderung und Schwärmerei ab, die den kunsthistorischen Goutier dorthin treibt – der sich darin vom größten Teil kunsthistorischer Literatur bestätigt sieht. Daß die Baumeister des Mittelalters große Könner waren, ist ein anderes Thema.

Die klare Raumgestaltung galt auch im Kirchenschiff: vorn beteten die Mönchsritter, die Herren, unsichtbar für ihre Knechte, die Arbeitsmönche, die im hinteren Teil hinter einer genügend hohen Trennwand dicht gedrängt – und man darf vermuten: auch gut bewacht – dem Gottesdienst beiwohnen durften oder mußten.

Wart Ihr mal in Chorin im Schlafsaal der einfachen Mönche, wo sie sich nach ihrer Schufterei im Nettelbeckgraben ”erholen” konnten ? Wo die Herren Ritter und der Abt geschlafen haben, weiß ich nicht, aber dieser Schlafsaal erinnert mich nur an Massenknast und Arbeitslager. Selbstverständlich gibt es in dieser Zeit der großen Mönchs- und Ritterorden auch gut durchdachte sanitäre Maßnahmen; (…) Krankheit war ein ökonomisches Verlustgeschäft, denn die Lebenserwartung der Arbeitsmönche war schon bei ”normaler Gesundheit” sehr niedrig und Arbeitskräfte dementsprechend schnell knapp.

Untersucht lieber, warum diese Orden sich so ins Zeug legten, ”grandiose Baukunst” und die zugehörige Ideologie zu entwickeln und was dafür plattgewalzt wurde. Das Ergebnis war eine ”beeindruckende Klarheit” darüber, wer die Macht und den Besitz hatte.

Es gab bestimmt auch klösterliche Gemeinschaften anderer Qualität: das waren nicht die großen Orden, die sich durch Waffengewalt verbreitet haben. Und wie haben die Kleinen das geschafft ? Da solltet ihr genauer hinschauen. Und es gab immer wieder Außenseiter in den Orden, die deren Abweichung von der verbal verkündeten Ideologie, dem Armutsideal, anprangerten (im Klartext: immer wieder flammte arkadisches Christentum auf, das erst mit Beginn der Neuzeit vom römischen ausgemerzt wurde).

Benedict von Nursia übrigens ist inzwischen nicht nur von Mittelalterforschern, sondern 1500 Jahre nach seiner vermeintlichen Geburt (480) auch von der Kirche als Fiktion erkannt worden. Wahrscheinlich kamen die Regula Benedicti im 10. Jh. aus Irland und wurden in der cluniazensischen Reform zur Grundlage der papsttreuen Ordens- und Arbeitsmoral gemacht.

Angelika Müller, Berlin-Neukölln


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