Grünflächen schaffen Lebensqualität in der Stadt

Aus DER RABE RALF Oktober/November 2017, Seite 7

Umweltstaatssekretär Tidow über die Stadtgrün-Debatte und einen Urban-Gardening-Beauftragten

In Berlin sind rund 40 Prozent des Stadtgebiets Grün-, Wald- oder Wasserflächen. Das ist viel im Vergleich zu anderen Millionenstädten. Aber Berlin ist eine wachsende Stadt. Allein im vergangenen Jahr sind 60.000 Menschen zugezogen. Diese Menschen brauchen Wohnungen, der Druck auf den Wohnungsmarkt ist enorm. Die Flächenkonkurrenz in Berlin ist hoch, ob für Gewerbe, Verkehrs-Infrastruktur oder Wohnungsbau. Und sie macht auch vor den Grünflächen nicht halt. Gerade wenn es um Kleingärten, Brachen oder Friedhöfe geht, sind die Begehrlichkeiten hoch. Das Berliner Stadtgrün zu bewahren, zu sichern und auch zu mehren ist vor diesem Hintergrund ein übergeordnetes Ziel der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.

Denn das grüne Berlin ist der Garant für ein lebenswertes Berlin. Wir brauchen Grünflächen, Parkanlagen, Gärten und Wälder als Orte der Erholung, der Freizeitaktivität, für den Natur- und Artenschutz. Sie sind wichtig für das Stadtklima, stärken die Resilienz, die Widerstandsfähigkeit angesichts der Folgen des Klimawandels. Und sie tun ganz einfach gut und geben im wahrsten Sinne des Wortes Luft und Raum zum Atmen. Wir brauchen unser Stadtgrün als öffentliche Orte der gesellschaftlichen Zusammenkunft und Gemeinschaftsbildung. Diese Funktion wird in einer so heterogenen und wachsenden Stadt wie Berlin immer wichtiger. Wo findet die Gesellschaft noch zusammen, wo begegnen sich Menschen als freie und gleiche Individuen? In den Grünanlagen.


Umweltstaatssekretär Stefan Tidow (r.) wird auf der Urban-Farming-Konferenz der GRÜNEN LIGA interviewt. (Foto: Sebastian Hennings/GRÜNE LIGA Berlin)

Stadtgrün sichern, Verluste ausgleichen

Beim Urban Gardening steht genau diese gemeinschaftsbildende Funktion im Mittelpunkt. Die Bewegung ist auch deshalb so wertvoll für unsere Stadtgesellschaft, weil sie aus eigener Kraft entstanden ist und zur sozialen Gerechtigkeit beiträgt. In den vergangenen Jahren haben sich in Berlin einige sehr interessante und gute Projekte entwickelt, die inzwischen über die Stadt hinaus bekannt sind und Nachahmer finden. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes von unten gewachsen und gerade deshalb eine Bereicherung, die wir unterstützen wollen – mehr als bisher. Deshalb hat der rot-rot-grüne Senat in seiner Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, dass wir einen Urban-Gardening-Beauftragten berufen wollen.
Seit mehreren Jahren gibt es bereits ein Werkstattforum zum Thema Gärtnern in der Stadt, zu dem alle Akteure herzlich eingeladen sind und wo gemeinsam mit meiner Verwaltung anstehende Fragen diskutiert werden. Ich hoffe sehr, dass wir nach dem Beschluss über den Doppelhaushalt für die Jahre 2018 und 2019 eine feste Ansprechperson für Urban Gardening haben werden.

Wenn es außerdem darum geht, unser Stadtgrün weiterzuentwickeln und Flächen dafür zu finden – auch für Urban Gardening –, so setzt dies eine Debatte voraus: eine Debatte, welches Grün wir brauchen, wie viel davon und wofür. Diese Debatte wollen wir offensiv führen. Es geht dabei um die Selbstvergewisserung der Stadtgesellschaft über die wichtige Rolle des städtischen Grüns für Berlin. In der wachsenden Stadt wird sich viel verändern, deswegen brauchen wir eine Verständigung darüber, welches Grün eben nicht zur Disposition steht, wie wir dies absichern und wo wir neues schaffen können, wenn altes aufgegeben werden muss.

Ich freue mich auf diesen Prozess, in dem wir im Rahmen von Stadtdialogen gemeinsam eine Charta für das Berliner Stadtgrün entwickeln werden.

Stefan Tidow

Der Autor ist Staatssekretär für Umwelt und Klimaschutz in Berlin.


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