Aus DER RABE RALF November 1999
Durch die Beratung mit Experten und das Studium von Literatur über mögliche Rechtsformen, insbesondere der Genossenschaft, wurde uns die Hauptschwierigkeit bei der Gründung einer Genossenschaft deutlich: die Gründungsprüfung durch und die Aufnahme in den Genossenschaftsverband und die damit verbundene Eintragung in das Genossenschaftsregister. Aus diesem Grund strebten wir zunächst die Rechtsform der GmbH / Verein als Notlösung und Ausweg an.
Wir wollten diese Rechtsform so stark mit genossenschaftlichem Inhalt füllen, daß der Übergang später dann fließend sein könnte. Nach intensiven Beratungen durch Experten haben wir uns dann endgültig für die Genossenschaft entschieden. Diese Entscheidung beruhte darauf, daß unserer Überzeugung nach die angesprochenen formalen Hauptschwierigkeiten auf der Grundlage eines realistischen wirtschaftlichen Konzepts überwunden werden können. Sie entspricht den Zielsetzungen der Gründungsmitglieder, ist billiger als eine GmbH und erleichtert den Ein- und Austritt der Mitglieder.
Vorgründungsphase
Am Anfang standen die Idee und die Bereitschaft einer Gruppe von sieben Menschen, Mitglied in einer Genossenschaft zu werden.
Die Lösung der Finanzierungsproblematik, die Organisation des Projektes sowie die Verteilung der Aufgaben nahmen viel Zeit in Anspruch. Daneben mußten wir unsere wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen miteinander sowie jeder für sich klären.
Eine gute Beratung konnten wir von der „Selbstbau Genossenschaft Berlin“ e.G. erhalten. Sie hat Erfahrungen im Aufbau von alternativen Wohnprojekten. Andere Vereine, wie z.B. „Wohnbund“ e.V. oder der „Verein zur Förderung des Genossenschaftsgedankens“ e.V., stehen auch anderen zur Beratung zur Verfügung.
Ein wichtiger Schritt war das Aussuchen eines genossenschaftlichen Prüfungsverbandes. Den Antrag dazu konnten wir beim „Verein zur Förderung des Genossenschaftsgedankens“ e.V. stellen. Empfohlen wurde uns der Verband „Berlin- Brandenburgischer Wohnungsunternehmer“ e.V..
Die Gründung einer GbR war wichtig, um vor der Gründung einer Genossenschaft als sogenannte Vorgründungsgenossenschaft zum gemeinsamen Erwerb von Maschinen, Grundstücken usw. auftreten zu können und einen rechtlichen Status zu haben.
Beim Kauf von Grundstücken oder Immobilien muß „ein Vertrag zugunsten Dritter“, nämlich zugunsten der Genossenschaft, abgeschlossen werden und festgelegt sein, daß die Genossenschaft in Gründung ausschließlich mit ihrem Vermögen haftet.
Im Gesellschaftsvertrag mußte geregelt werden, daß die Gesellschafter später die Gründung einer Genossenschaft beabsichtigen und zu diesem Zweck die folgenden Handlungen, Geschäfte usw. vornehmen 2.
Gründungsphase
Die Gründungsphase verlangt weder die Einhaltung komplizierter Formen noch Fristen. Normalerweise ist sie aber ein langwieriger Prozeß, der sich aufteilt in den Gründungsakt, die Gründungsprüfung, den Beitritt zu einem Prüfungsverband und die Eintragung ins Genossenschaftsregister.
Der Gründungsakt
Bei dem Gründungsakt ist eine Versammlung von mindestens 7 Personen erforderlich. In dieser Versammlung wird die Diskussion über das Projekt geführt und der gemeinsame Entschluß, eine Genossenschaft zu gründen, von allen Teilnehmern bestätigt.
Der erste Gründungsakt ist die Beschlußfassung der Satzung /des Statuts, sowie deren Unterzeichnung durch alle Anwesenden.
Bei der Ausarbeitung der Satzung kann man sich verschiedener Mustersatzungen bedienen, die man bei den genossenschaftlichen Prüfungsverbänden besorgen kann. Allerdings sind diese viel zu kompliziert und unübersichtlich. Außerdem berücksichtigen sie den Gedanken der Selbstverwaltung nur unzureichend. Es empfiehlt sich daher vor der Beschlußfassung dieser Satzung, in der Gründungsversammlung sowohl mit dem Prüfungsverband als auch mit einem Rechtspfleger ein Gespräch zu führen.
Man kann sich hierbei darauf berufen, daß diese Mustersatzung von einigen Prüfungsverbänden anerkannt wird 2.
Vor der Annahme müssen die Mustersatzungen gründlich diskutiert werden, z.B. um abzustimmen, ob bestimmte weitere Regelungen z.B. zusätzliche Organe, Zweckbindungen, Grundsätze, in die Satzung aufgenommen werden sollen.
Im Anschluß an die Beschlußfassung über die Satzung müssen noch ein Aufsichtsrat und ein Vorstand gewählt werden.
Mindestens 3 Mitglieder sollten im Aufsichtsrat sein. Wichtig ist für ein arbeitsfähiges Gremium (bei Kleinstgenossenschaften bis zu 12 Personen) bis auf die Vorstandsmitglieder sämtliche Genossenschaftsmitglieder in den Aufsichtsrat aufzunehmen.
Damit kann das Problem der Selbstverwaltung problemlos umgesetzt werden, weil Vorstand und Aufsichtsrat in der Regel in gemeinsamen Sitzungen tagen und der Vorstand in seinen Kompetenzen weitgehend an die Zustimmung des Aufsichtsrates gebunden werden kann. Auf diese Weise wird bei Kleinstgenossenschaften die unbefriedigende Aufteilung in drei Organe (Generalversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand) praktisch überwunden.
Mindestens 2 Mitglieder müssen in den Vorstand gewählt werden. Wichtig hierbei ist eine gewisse kaufmännische und fachliche Erfahrung.
Die Anfertigung eines Protokolls ist notwendig. Es dient zugleich als Checkliste für den Ablauf der Gründungsversammlung.
Nach der Gründungsversammlung mit der Beschlußfassung über die Satzung und die Wahl der Organe kann das Projekt als „Genossenschaft in Gründung“ (i.Gr.) beginnen. Sie unterscheidet sich von der späteren und eingetragenen Genossenschaft( e.G.) in erster Linie dadurch, daß sie noch nicht rechtsfähig ist.
Nach der Eintragung in das Genossenschaftsregister gehen alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten auf die eingetragene Genossenschaft über, soweit die getätigten Geschäfte den Gründungszweck betrafen. Auf diese Weise ist ausgeschlossen, daß einzelne Mitglieder persönlich für Verbindlichkeiten haften müssen.
Bei Geschäften mit Dritten sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß dieses Geschäft für die Genossenschaft in Gründung abgeschlossen wird und die Genossenschaft in Gründung ausschließlich mit ihrem Vermögen haftet. Auch im Fall des Scheiterns der Eintragung der Genossenschaft sind so die handelnden Personen abgesichert 2.
Die Genossenschaft in Gründung kann:
– Einzahlungen auf den Geschäftsanteil entgegennehmen,
– weitere Mitglieder durch die Unterschrift unter die Satzung aufnehmen (Beitritte durch Beitrittserklärung werden erst mit der Eintragung in das Genossenschaftsregister wirksam),
– ein Konto bei der Bank einrichten,
– im Grundbuch eingetragen werden,
– verklagt werden.
Die Gründungsgenossenschaft kann nicht:
– Handlungen vornehmen, die die Rechtsfähigkeit voraussetzen,
– nicht klagen,
– Wechselgeschäfte betreiben 2.
Gründungsprüfung und Beitritt zum Prüfungsverband
Die Gründungsprüfung stellt fest:
“ ob nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere der Vermögenslage der Genossenschaft, eine Gefährdung der Belange der Genossen oder der Gläubiger der Genossenschaft zu besorgen ist“ (§11 GenG) 2.
Sie ist Ersatz für eine vom Gesetz nicht geforderte Mindestkapitalausstattung und ein Ausgleich für den möglichen Ausschluß oder die Beschränkung der Nachschußpflicht auf eine Haftsumme.
Eine Genossenschaft kann theoretisch von 7 Mitgliedern mit je einem Geschäftsanteil in Höhe von 1,- DM, von denen nur 10% sofort einzuzahlen sind, gegründet werden.
Diese Genossenschaft würde bei völligem Haftungsausschluß nur über ein Eigenkapital von 70 Pfennigen verfügen. Deshalb wurde die Gründungsprüfung vom Gesetzgeber zum Schutz der Mitglieder und Gläubiger eingebaut. Diese wird vom zuständigen Prüfungsverband vorgenommen.
Hier werden in der Regel die persönlichen Daten, Aussagen über berufliche Erfahrungen der Mitglieder, die gemeinsamen Interessen, die zur Bildung der Genossenschaft geführt haben, aufgenommen, sowie die Versicherung nicht im Bereich der Wirtschaftskriminalität vorbestraft zu sein 9.
Schwieriger verläuft die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Hier wird geprüft, ob eine Genossenschaft dauerhaft bestehen kann, d.h. ob sie die Anlaufphase von ca. 3-5 Jahren überhaupt überlebt und am Ende dieser Jahre die Einzahlungen auf den Geschäftsanteil wieder vorhanden sind.
Hier muß besonders darauf geachtet werden, daß in dieser Zeit kein Konkurs wegen Überschuldung anfällt.
Die Genossenschaft soll auf so stabilen Beinen stehen, daß Verluste wieder aufgefüllt werden können, weil die Einnahmen die Ausgaben übersteigen sollen um die gesetzlich vorgeschriebene Rücklage und Neuanschaffungen finanzieren zu können.
Eine Gründungsprüfung ist leichter zu überstehen, wenn der Betrieb klein und überschaubar ist. Es sollte sich hierbei auf das Notwendigste beschränkt werden. Einer Ausweitung nach erfolgreicher Eintragung steht nichts entgegen.
Zu beachten ist:
An das Gründungsgutachten dürfen keine überbetrieblichen Anforderungen gestellt werden. Darauf können sich die Genossenschaften in Gründung berufen. Die Prüfungsverbände führen die Gründungsprüfung in der Regel anhand eines internen Fragenkataloges durch.
Dabei werden alle Daten über die Genossenschaft benötigt ( Sitz der Genossenschaft, zuständiges Amtsgericht, zuständiges Finanzamt, Tag der Gründung, Zahl der Gründer, Zahl der übernommenen Anteile, Gegenstand des Unternehmens). In der Satzung müssen die Höhe der Geschäftsanteile (Höchstzahl der Geschäftsanteile, Mindestzahl der Geschäftsanteile), die Pflichteinzahlungen, die Einzahlungsfristen, die Haftsummenregelung und die Satzungsbestimmungen zur Überschußverteilung enthalten sein.
Ein Finanzierungsplan muß erstellt, die Kredite und Darlehen aufgeschlüsselt und ein Finanzbedarfsplan aufgestellt werden 2.
Inger Elsner
Literatur:
2 Wir helfen uns selbst, Gründungshilfen für neue Genossenschaften,
Verlag für wissenschaftliche Publikationen, 1987
Aus:” Grenzen und Möglichkeiten von modernen Lebensgemeinschaften als zeitgemäßer Ansatz im sozialen Bereich, dargestellt am Beispiel einer konkreten Utopie Leben, Wohnen und Arbeiten in einer dörflichen Gemeinschaft im Land Brandenburg”, Diplomarbeit, Fhss Berlin, 1997.