Umweltprüfungen

Aus DER RABE RALF Oktober/November 2020, Seite 21

Rechtlich vorgeschriebene Prüfungen der Umweltverträglichkeit von Projekten – eine Einführung

Die auffälligen Holzhaufen neben Bahnstrecken sind meist Ersatzhabitate für Arten, die durch die Bauarbeiten verdrängt werden. (Foto: Leonhard Lenz)

Wenn in einem Ort eine neue Straße gebaut werden soll, wenn ein neuer Deich angelegt oder ein Windpark errichtet werden soll, gibt es verschiedene Interessen. Um die Natur und die häufig direkt damit verbundene Gesundheit der Menschen zu schützen, sind mehrere Umweltprüfungen vorgeschrieben, die in verschiedenen Stadien der Planung stattfinden und verschiedene Aspekte betrachten. Am Ende sind sie meist eingebettet in die größeren Planungen, wo sie dann mit den anderen Interessen abgewogen werden müssen, was häufig zu Streit und am Ende zu Gerichtsverfahren führt. Es gibt jedoch, vor allem im Naturschutz, auch Prüfungen die sehr direkte und konkrete Auswirkungen haben können.

Strategische Umweltprüfung

Die Strategische Umweltprüfung (SUP), die europaweit nach einer Richtlinie von 2001 durchgeführt werden muss, setzt auf einer hohen Ebene in Planungsprozessen an. Bei Plänen und Programmen – zum Beispiel zur Abwasserentsorgung oder Lärmminderung –, die meist von Behörden kommen, müssen die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt betrachtet werden. Da die Pläne in diesem Stadium noch wenig konkret sind, gibt es theoretisch noch viel Spielraum, um Alternativen zur ursprünglichen Planung zu finden. Die möglichen negativen Auswirkungen werden auch dann untersucht, wenn der Plan den Schutz von Natur und Umwelt zum Ziel hat. Die hier gewonnenen Erkenntnisse fließen später auch in die Umweltprüfungen der konkreten Projekte ein.

Umweltverträglichkeitsprüfung

Wohl am bekanntesten ist die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die es in ihrer heutigen Form seit 1990 gibt. Die UVP soll die Auswirkungen konkreter Projekte auf die Umwelt abschätzen und bewerten. Dazu gibt es eine Liste von Schutzgütern, die auch schon bei der SUP Anwendung findet. Dies sind der Mensch und besonders seine Gesundheit, die Pflanzen und Tiere und allgemein die biologische Vielfalt, die Fläche als solche, dazu das Landschaftsbild. Außerdem der Boden, das Wasser und die Luft sowie das Klima – wobei hier nur das lokale Klima betrachtet wird, auch wenn es Forderungen gibt, auch die Auswirkungen auf die globale Erwärmung einzubeziehen. Das kulturelle Erbe und andere Sachgüter – hier wird etwa der Wert von Immobilien betrachtet – sind ebenfalls als Schutzgüter genannt. Bei der Untersuchung müssen auch die Wechselwirkungen zwischen diesen Schutzgütern berücksichtigt werden.

Ob für ein Projekt eine UVP durchgeführt werden muss oder nicht, bestimmt eine Liste, die auch Schwellenwerte nennt, ab denen die Untersuchung verpflichtend ist. Am Ende steht, wie auch bei der SUP, ein Bericht, der Alternativen bei der Umsetzung vorschlägt und Maßnahmen zum Minimierung der Umweltauswirkungen nennt. Direkt verbindlich sind diese Maßnahmen jedoch nicht.

Artenschutzrechtliche Prüfung

Einen Sonderfall stellt die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung dar. Sie wird im Gegensatz zu den anderen Umweltprüfungen nicht im UVP-Gesetz geregelt, sondern im Bundesnaturschutzgesetz. Sie soll den Schutz der „besonders geschützten Arten“ gewährleisten. Diese Arten dürfen, außer zu bestimmten Zwecken, nicht entnommen, beschädigt oder getötet werden. Die Liste dieser Arten umfasst über 800 Einträge, darunter auch viele komplett geschützte Gruppen.

Wenn ein Projekt nun gegen eines der Verbote verstoßen könnte, ist die artenschutzrechtliche Prüfung erforderlich. Kommt die Prüfung zu dem Ergebnis, dass durch verschiedene Maßnahmen ausgeschlossen werden kann, dass die geschützten Arten getötet, gestört oder beschädigt werden, wird das entsprechende Projekt von der Naturschutzbehörde genehmigt.

Lautet das Ergebnis, dass sich eine Beeinträchtigung der Arten nicht vermeiden lässt, muss eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden. Dazu ist zum einen darzulegen, dass es keine zumutbaren Alternativen zu dem Projekt in dieser Ausführung gibt und dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an dem Projekt besteht. Außerdem muss die Erhaltung der Population der betroffenen Arten in dem gleichen Naturraum sichergestellt werden, indem etwa Ersatzlebensräume geschaffen oder schon bestehende andere Lebensräume für diese Art aufgewertet werden. Hier spielen auch vorübergehende Maßnahmen für die Dauer der Bauarbeiten eine Rolle (siehe Foto).

Fauna-Flora-Habitat-Verträglichkeitsprüfung

Die artenschutzrechtliche Prüfung ist bei vielen, die ein Interesse am Bau von Projekten wie etwa Verkehrswegen haben, schon gefürchtet. Noch mächtiger und in letzter Zeit dadurch bekannt geworden ist die Prüfung der Verträglichkeit mit den Schutzzielen der Natura-2000-Gebiete. Der Kern des europäischen Naturschutzes ist ein Netz aus Natura-2000-Gebieten – das sind zum einen die Vogelschutzgebiete zum Schutz der wild lebenden Vögel und zum anderen die Fauna-Flora-Habitat-Gebiete, kurz FFH-Gebiete, zum Schutz von Biotoptypen (Habitaten) und Arten, die in einer Liste ausgewiesen sind. Diese Gebiete haben einen besonderen Schutzstatus und dürfen entsprechend ihren festgelegten Erhaltungszielen nicht beeinträchtigt werden.

Dafür soll die Fauna-Flora-Habitat-Verträglichkeitsprüfung sorgen. Sie untersucht die möglichen Auswirkungen von Projekten auf die Natura-2000-Gebiete. Wenn die Prüfung zum Ergebnis kommt, dass das Gebiet nicht erheblich beeinträchtigt wird, gibt es kein Problem. Auch hier können wieder Maßnahmen zur Verringerung der negativen Auswirkungen vorgeschrieben werden. Ist das nicht in vollen Umfang möglich, muss auch hier das öffentliche Interesse dargelegt und ein Ausgleich geschaffen werden, um die übergeordneten Schutzziele von Natura 2000 einzuhalten.

Die FFH-Richtlinie, eine Art europaweites Rahmengesetz, listet zudem einige „prioritär geschützte“ Arten und Lebensräume auf, deren Beeinträchtigung nur zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Menschen genehmigt werden kann. Hierzu bezieht dann auch die EU-Kommission Stellung.

Berühmt wurde die FFH-Richtlinie durch Gerichtsverfahren, die zum Stopp von Vorhaben führten. So stand im letzten Jahr der Braunkohletagebau Jänschwalde bei Cottbus mehrere Monate still, weil es keine FFH-Verträglichkeitsprüfung gab, die die Auswirkungen auf nahegelegene Feuchtgebiete untersucht hätte.

Je eher, desto chancenreicher

Die Verfahren der Umweltprüfungen sind kompliziert, und die Vielzahl verschiedener Einzelprüfungen und Verfahren macht es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Wer Umwelt und Natur schützen will, kann hier aber viel erreichen, denn in vielen der Umweltprüfungen ist die Beteiligung der Öffentlichkeit vorgeschrieben und spielt eine wichtige Rolle. Dabei gilt: Je eher man sich in ein geplantes Projekt einmischt, desto größer sind die Möglichkeiten, noch etwas daran zu ändern.

Leonhard Lenz

Überblick über alle laufenden Umweltverträglichkeitsprüfungen:

www.uvp-verbund.de


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