Jedes Fleckchen zählt
Aus DER RABE RALF April/Mai 2021, Seite 1/4
Berlin sucht die schönsten Minigärten für Insekten
Spätestens die sogenannte Krefelder Studie aus dem Jahr 2017 hat belegt, dass es einen dramatischen Rückgang der Insektenbestände gibt. Der Insektenschutz ist damit stärker ins Licht der Öffentlichkeit gerückt und bewegt viele Menschen. So klein und unscheinbar sie auch sind, so groß ist die Bedeutung der Insekten: als Bestandteil der Nahrungskette, als Verwerter natürlicher „Abfälle“ und als Bestäuber, womit sie letztendlich auch die Lebensgrundlage für uns Menschen sichern. Ohne Insekten könnte außerhalb der Meere kein Ökosystem funktionieren.
Die Gründe für ihr Verschwinden sind der Pestizideinsatz in der intensiven Landwirtschaft, der Lebensraumverlust und der Nahrungsmangel durch eine reduzierte Pflanzenvielfalt in Monokulturen und aufgeräumten Städten und Gärten. Genau hier lässt sich ansetzen, um dem Insektenschwund entgegenzuwirken. Insektenfreundliches Gärtnern erfreut sich seit einigen Jahren zunehmender Beliebtheit, und auch die vielerorts in Berlin entstehenden Blühwiesen sind mittlerweile kein ganz so ungewohnter Anblick mehr.
Doch Berlin bietet neben seinen vielen Grünflächen noch viel mehr Potenzial. Auch ohne eigenen Garten kann man einen praktischen Beitrag zu mehr Biodiversität in der Stadt leisten. Ein Blumenkasten findet auch auf dem Balkon oder dem Fensterbrett Platz und muss nur mit den richtigen Pflanzen bestückt werden. Vielleicht lässt sich auch ein Eckchen im Hof oder die Baumscheibe vor dem Haus bepflanzen? Was wie ein Tropfen auf den heißen Stein wirken mag, kann in der Summe die Bedingungen für Insekten in der Stadt verbessern. Im Projekt „Das summende, brummende Fensterbrett!“ der Grünen Liga Berlin, das von der Senatsumweltverwaltung gefördert wird, dreht sich alles darum, dieses Potenzial auszuschöpfen. Je mehr Berlinerinnen und Berliner mitmachen, desto mehr kleine Habitate können entstehen – und diese tragen wiederum dazu bei, die bestehenden Lebensräume miteinander zu vernetzen, was den Insekten hilft, die Distanzen dazwischen zu überwinden.
Was macht den Minigarten insektenfreundlich?
Was für den großen Garten gilt, lässt sich auch im Kleinen erreichen. Ein (Mini-)Garten wird dadurch insektenfreundlich, dass die kleinen Sechsbeiner dort Nahrung, Unterschlupf und Nistmöglichkeiten finden und nicht durch Pestizide geschädigt werden.
Ein Hauptaspekt ist die Auswahl geeigneter Pflanzen. Bestäubende Insekten ernähren sich und ihren Nachwuchs von Nektar und Pollen. Einige wie die Honigbiene werden fast überall fündig, wo es blüht. Andere sind dagegen auf bestimmte Pflanzenfamilien oder sogar einzelne Arten spezialisiert und darauf angewiesen, dass diese Pflanzen in ihrem Lebensraum vorkommen.
Wer stärker auf heimische Pflanzen, verschiedene Familien, eine möglichst lange Blühperiode und Wildformen statt hochgezüchteter gefüllter Blüten setzt, sorgt bereits dafür, dass der Tisch für viele Blütenbesucher reich gedeckt ist. Manche Insekten halten sich jedoch nicht mit den Blüten auf, sondern vertilgen gleich ganze Pflanzenteile. So benötigen die Raupen vieler Falter bestimmte, häufig als „Unkraut“ angesehene Pflanzen oder machen sich durch Fraß am liebevoll gepflegten Gemüse unbeliebt, doch es lohnt sich, auch ihnen ein Fleckchen zu reservieren – denn ohne Raupen keine Schmetterlinge.
Insektenhotel – aber richtig!
Auch zur Fortpflanzung benötigen viele Arten bestimmte Strukturen wie offene Sandflächen oder hohle Pflanzenstängel, die sie oft nicht mehr ausreichend vorfinden. Mit sogenannten Insektenhotels liefert man ihnen, anders als der Name vermuten lässt, mehr als nur ein Bett für die Nacht. Tatsächlich handelt es sich dabei um Nisthilfen, in die vor allem einzeln lebende Wildbienen ihre Eier samt Pollenvorrat ablegen, damit im nächsten Frühjahr die neue Generation ausfliegen kann. Kleine Varianten finden auch auf dem Balkon oder Fensterbrett Platz.
Weil gut gemeint aber nicht immer auch gut gemacht ist, ist es wichtig, sich vor dem Bau zu informieren und Fehler zu vermeiden, die die Nisthilfen nicht nur ungeeignet, sondern sogar zur Falle für den Wildbienen-Nachwuchs machen können. Auch bei den im Handel erhältlichen Insektenhotels sollte man genau hinschauen, denn leider werden oft falsche Materialien verbaut oder die Teile sind nicht sorgfältig genug verarbeitet.
In welcher Erde die Pflanzen im Balkonkasten wachsen, ist den Insektenbesuchern zwar egal, der Verzicht auf torfhaltige Erde ist aber ein Beitrag zum Insektenschutz anderswo. Torf ist ein natürlicher, aber kein nachwachsender Rohstoff. Für seine Gewinnung werden noch immer Moore trockengelegt und damit Lebensräume für Insekten, andere Tiere und Pflanzen unwiederbringlich zerstört. Viel zu schade also für Blumenerde! Heute ist torffreie Erde in den meisten Baumärkten und Gärtnereien erhältlich, manchmal auch in Bio- oder Supermärkten. Aufpassen sollte man nur, dass die Erde wirklich torffrei und nicht nur torfreduziert ist.
Wettbewerb: Berlins schönste Minigärten gesucht
Wer nun noch nicht genug Lust bekommen hat, den eigenen Blumenkasten zur Vorzeige-Oase für Insekten zu machen, erhält noch einen zusätzlichen Anreiz: Die Grüne Liga Berlin sucht die attraktivsten Immobilien für kleine Summer und Brummer und vergibt dafür tolle Sachpreise und Gutscheine von Gardena, Neudorff, dem Ulmer-Verlag, Aries Umweltprodukte und der regionalen Staudengärtnerei Gericke. Egal, ob in Töpfen und Kästen auf dem Fensterbrett, einer Ecke des Schulhofs oder ganz woanders – teilnehmen können alle, die in Berlin auf einer Fläche von maximal fünf Quadratmetern insektenfreundlich gärtnern.
Bis zum 31. August können sich Minigärtner:innen bewerben. Es lohnt sich aber, schon jetzt mit der Dokumentation zu beginnen. Die Jury möchte den Blumen beim Wachsen zuschauen! In welcher Form die Entwicklung des Minigartens festgehalten wird, bleibt den Teilnehmer:innen überlassen. Neben Fotos können auch Zeichnungen, Blogs oder Videos eingereicht werden – auch Kreativität wird belohnt. Nur das Teilnahmeformular müssen alle ausfüllen. Dieses und alle weiteren Informationen sind unter fensterbrett.grueneliga-berlin.de zu finden. Wer keinen Internetzugang hat, kann auch auf dem Postweg teilnehmen (Adresse auf Seite 30). Damit es fair bleibt, werden die Preise in verschiedenen Kategorien je nach Art der Fläche vergeben. Gekürt werden die Einsendungen von einer Jury mit Mitgliedern aus den Bereichen Biodiversität, Naturschutz, Wohnen und Verwaltung und der Grünen Liga Berlin.
Zusätzlich wird in einem Online-Voting ein Publikumspreis vergeben. Mitte Oktober werden die Gewinner:innen bei einer Preisverleihung in der Urania gefeiert. Alle ausgezeichneten Projekte werden auf der Website und den Social-Media-Kanälen der Grünen Liga vorgestellt und sollen viele weitere Berliner:innen zum Mit- und Nachgärtnern motivieren.
Tipps, Artenporträts und Kurzvideos
Wer jetzt loslegen möchte, aber noch nicht weiß, wie, oder auch einfach das eigene Wissen erweitern will, findet auf der Website Tipps zum insektenfreundlichen Gärtnern sowie Pflanzen- und Insektenporträts und informative Kurzvideos. Außerdem wird ein Einblick in die Bildungsreihe „Insektenfreundliche Berliner Minigärten“ gegeben. Für ganz individuelle, auf den eigenen Minigarten zugeschnittene Informationen ist die Grüne Liga Berlin auch per Telefon und E-Mail zu erreichen.
Lena Assmann
Informationen zu Minigärten und zu dem bis 31.8.2021 laufenden Wettbewerb: fensterbrett.grueneliga-berlin.de
Tel. (030) 44 33 91 44, E-Mail: stadtgruen@grueneliga-berlin.de
Auf ein Neues!
Aus DER RABE RALF April/Mai 2021, Seite 24
Das 26. Umweltfestival findet im September als hybride Veranstaltung statt
Die Corona-Pandemie brachte im letzten Jahr das erste digitale Umweltfestival hervor. Auf einem Online-Markt konnten sich die Gäste durch die virtuellen Ausstellungsstände klicken oder zum Beispiel auf der „Bühne“ kurze Reportagen, Kochvideos und Interviews verfolgen.
Die Pandemie begleitet uns leider auch noch 2021. Das Umweltfestival wird deshalb auch in diesem Jahr nicht in der gewohnten Größe und nicht am bekannten Ort vor dem Brandenburger Tor stattfinden können. Zudem wird es auf einen späteren Termin verschoben, voraussichtlich den 18. oder 19. September 2021 oder beide Tage.
Real + online = hybrid
Für eine größtmögliche Planungssicherheit findet das Festival 2021 als Hybrid statt: Neben einer realen Veranstaltung an einem typischen Berliner Ort werden wieder digitale Angebote der Ausstellenden und der Grünen Liga Berlin auf der Website www.umweltfestival.de präsentiert. So bietet das Umweltfestival unabhängig vom Sicherheitsbedürfnis eine Möglichkeit zur Information, Interaktion und zum Erleben.
Trotz aller Unsicherheit freuen wir uns auf das 26. Umweltfestival 2021 und arbeitet mit Engagement und Energie an der Realisierung. Mit dabei sind alte Bekannte der letzten Jahre, darunter die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL) und der Fahrrad-Club ADFC Berlin.
Digitalisierung im Fokus
In den Mittelpunkt des diesjährigen Festivals stellen wir die Digitalisierung. Wir wollen über Chancen und Risiken sprechen, den Bezug zu Umwelt, Natur- und Klimaschutz verdeutlichen und Fragen zu Gemeinwohl, Suffizienz und Sicherheit ansprechen. Dabei wollen wir möglichst viel Austausch ermöglichen und zusammen lernen.
Alle, die beim Umweltfestival ausstellen oder teilnehmen möchten, werden über den Ort, die genaue Zeit und den Anmeldeprozess informiert, sobald es mehr Planungssicherheit gibt. Wir halten Sie und euch auf dem Laufenden und hoffen auf ein neues, spannendes und erlebnisreiches Umweltfestival 2021!
Michelle Goldmann,
GRÜNE LIGA Berlin e.V.
PS: Auch der Blick zurück lohnt sich: Gemeinsam haben wir 2020 die Vielfalt der Berliner Umweltszene und das Live-Programm der Festivalbühne in die digitale Welt geholt, worauf wir sehr stolz sind. Alle Inhalte, darunter die mehr als 160 virtuellen Ausstellungsstände, Wettbewerbe, Preisverleihungen und spannende Podiumsdiskussionen, sind weiter auf www.umweltfestival.de verfügbar.
Weitere Informationen:
www.umweltfestival.de
Tel. (030) 4433910
Klimarettung mit Street-Food und Musik
Aus DER RABE RALF April/Mai 2021, Seite 2
Handlungsleitfaden für klimaneutrale Veranstaltungen in Berlin ist fertig
Die Berliner Veranstaltungslandschaft ist geprägt durch volle Wochenmärkte, kleine und große Musikveranstaltungen, bunte Straßenfeste und Sportveranstaltungen, die das ganze Jahr Menschen aus aller Welt begeistern. Doch leider hat das auch eine Kehrseite, denn jede Veranstaltung wirkt sich auf die Umwelt aus. Neben großen Mengen an Abfall erzeugen Veranstaltungen auch viele klimaschädliche Emissionen – zum Beispiel durch den Stromverbrauch für die Bühnentechnik oder bei den Transporten.
Doch damit soll bald Schluss sein. Gemeinsam mit Partner:innen aus der Berliner Veranstaltungsszene hat die Grüne Liga Berlin einen Handlungsleitfaden für klimaneutrale Veranstaltungen erarbeitet, damit Veranstaltungen in Zukunft so klimafreundlich wie möglich sein können.
Gute Beispiele, praktische Tipps, hilfreiche Kontakte
Der Handlungsleitfaden enthält eine Fülle an Informationen und Hilfestellungen zur Planung und Durchführung von klimaneutralen Veranstaltungen. Um beispielsweise klimaschädliche Emissionen bei der Energieversorgung zu reduzieren, kann Ökostrom genutzt werden. Was bei der Wahl des Ökostromtarifs zu beachten ist, steht im Service- und Literaturteil.
Wenn kein Stromanschluss auf dem Veranstaltungsgelände vorhanden ist, wird häufig auf klimaschädliche Stromgeneratoren zurückgegriffen. Klimafreundlich wären dagegen mobile Lösungen für Solarstrom. Eine Übersicht mit Angeboten in Berlin und Umgebung erleichtert die Umstellung auf klimafreundliche Alternativen.
Ein Kapitel mit interessanten Best-Practice-Beispielen aus Berlin, Deutschland und der Welt zeigt, dass Veranstaltungen zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen können und dass sich schon mit kleinen Maßnahmen eine große Wirkung erzielen lässt. Ein Kapitel gibt es auch zu jedem der sieben Handlungsfelder: Datenerhebung und Evaluation, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Energieversorgung, Abfallmanagement, Beschaffung und Catering, Wasser und Sanitär, Mobilität. Neben allgemeinen Informationen, hilfreichen Maßnahmen und Indikatoren enthält jedes Kapitel einen Service- und Literaturteil, der bei der Umsetzung in der Praxis hilft.
Mehrweg statt Einweg
Wie lässt sich zum Beispiel auf einer Veranstaltung der Müll reduzieren? Für das Abfall- und Entsorgungsmanagement gilt generell die Reihenfolge: vermeiden – vermindern – verwerten. Eine Möglichkeit zum Vermeiden ist Mehrweggeschirr – Tassen, Teller, Besteck –, das in einem Geschirrspülmobil vor Ort direkt gespült wird. Im Serviceteil sind dafür Kontaktadressen verschiedener Anbieter:innen in Berlin und Umgebung aufgeführt.
Schon im Vorfeld einer Veranstaltung ist die Reduzierung von Abfällen und Klimaemissionen möglich. Beispielsweise vermeidet der Wechsel zu einer digitalen Kommunikation unnötigen Papierverbrauch und spart Ressourcen.
Erfolg sichtbar machen
Um erfolgreiche Klimaschutzmaßnahmen zu dokumentieren, sollten bei jeder Veranstaltung Kennzahlen erhoben werden. Aber keine Sorge! Auch schon kleine Veranstaltungen mit geringem Budget haben die Möglichkeit, zum Beispiel den Stromverbrauch und das Abfallaufkommen zu messen. So lassen sich Einsparpotenziale finden und Verbesserungen bei sich wiederholenden Veranstaltungen sichtbar machen.
Im Kapitel „Datenerhebung und Evaluation“ werden praktische Tipps zum Erstellen eines Klimaschutzkonzepts gegeben. Indikatorenlisten vereinfachen das Erheben von Daten für alle Handlungsfelder.
Erledigt und abgehakt!
Eine praktische Hilfestellung bieten auch die Checklisten im Anhang. Unterteilt nach den sieben Handlungsfeldern, helfen sie den Überblick zu behalten. Nachdem eine Maßnahme umgesetzt wurde, kann sie ganz einfach abgehakt werden.
Der Handlungsleitfaden möchte allen Beteiligten rund um den Veranstaltungsbereich eine praktikable Arbeitshilfe zur Verfügung stellen. Der Leitfaden soll als Inspirationsquelle dienen und Berlin seinem Ziel einen Schritt näher bringen, 2050 klimaneutral zu sein. Damit die Veranstaltungsszene der Hauptstadt spannend und vielfältig bleibt, muss sie sich auf eine klimaneutrale Zukunft vorbereiten. Mit dem Handlungsleitfaden für klimaneutrale Veranstaltungen in Berlin ist ein erster Schritt in diese Richtung getan.
Kai Guttmann
Weitere Informationen: www.grueneliga-berlin.de/handlungsleitfaden