Wie geht es dem Storch in Berlin?

Aus DER RABE RALF Dezember 2023 / Januar 2024, Seite 5

Jahrzehntelange Aufzeichnungen vom nordöstlichen Stadtrand in Lichtenberg ausgewertet

Storchenpaar in Malchow. Foto: Naturschutz Berlin-Malchow

Mehr als 100 Millionen Vögel begeben sich allein in Deutschland jedes Jahr im Herbst auf den Vogelzug in wärmere Gefilde. Eine der bekanntesten Zugvogelarten ist vermutlich der Storch. Jedes Jahr befindet er sich zwei bis vier Monate auf dem Zug und legt dabei 150 bis 300 Kilometer pro Tag zurück.

Seit 1995 steht auf dem Naturhof Malchow am nordöstlichen Berliner Stadtrand ein Storchennest, auf dem Nachbargrundstück befindet sich ein zweites. Die Mitarbeiter:innen dokumentieren jedes Jahr die wichtigsten Informationen. Neben den zwei Nestern in Malchow existieren im Bezirk Lichtenberg zwei weitere in Falkenberg und in Wartenberg. Auffällig ist der dörfliche Charakter der Landschaft um die Standorte herum. Die Stadtrandlage bietet den Störchen mehr Zugang zu Freiflächen für die Nahrungssuche, die bis nach Brandenburg ausgedehnt werden kann.

Weniger Jungstörche werden flügge

Doch auch der Stadtrand Berlins gerät immer mehr in den Fokus der Wohnbebauung. Dadurch werden diese Gegenden in Zukunft unattraktiver für den Storch. Bis 1988 existierte auch in Hellersdorf ein Storchennest, das dann aber durch Bau einer Großsiedlung in der Umgebung von den Störchen aufgegeben wurde.

In den Aufzeichnungen der letzten 40 Jahre zeigen sich Schwankungen in den Bruterfolgen der Störche in Lichtenberg. Das hat viele Ursachen, zum Beispiel ungünstige Witterungsbedingungen, Nahrungsmangel, Nestkämpfe oder erfolglose Erstbrüter. Und wie erwähnt, spielt auch die Bebauung eine Rolle.

In dem Zeitraum von 2010 bis 2022 brüteten die Weißstörche in Malchow in elf Jahren mit insgesamt 13 Bruten, davon sechs auf dem Schornstein und sieben auf dem Mast. Insgesamt schlüpften dabei 35 Jungvögel, von denen wahrscheinlich 18 flügge geworden sind, also etwa die Hälfte. In dem Elf-Jahres-Zeitraum davor, von 1999 bis 2009, waren in Malchow 44 Jungstörche geschlüpft und 39 flügge geworden, das waren fast 90 Prozent. Dies zeigt einen deutlichen Rückgang des Bruterfolgs der Weißstörche in Lichtenberg.

Zahl der Jungstörche, die in Malchow in den letzten 40 Jahren flügge geworden sind, mit linearem Trend. Daten und Grafik: Naturschutz Berlin-Malchow

Hochspannungsleitung entschärft

Dicht an den Nestern in Malchow verläuft eine Hochspannungsleitung, die eine Gefahr für Störche darstellen kann. Da einige Jungstörche auch in diese Leitungen geflogen sind, wurden 2009 sogenannte Vogelschutzfahnen angebracht, die senkrecht an den Leitungen hängen und auch im Wind klappern. Dass diese Maßnahme wirksam ist, zeigen die Aufzeichnungen ebenfalls. Im Zeitraum von 1999 bis 2009 sind insgesamt acht Störche in die Stromleitungen geflogen, während es von 2009 bis heute nur ein einziger war.

Neben den genannten Faktoren spielt sicherlich auch die Ankunftszeit eine Rolle für den Bruterfolg. Findet sich das Storchenpaar zu spät im Jahr auf dem Nest ein, kann das die Chancen auf eine erfolgreiche Brut verringern. Auch Wetterbedingungen haben einen großen Einfluss. 2017 war zum Beispiel ein sehr nasser Sommer mit häufigem Starkregen. Auch das kann dafür sorgen, dass die Jungtiere nicht überleben. Über die Ankunftszeiten der Störche wurde in Malchow ebenfalls Buch geführt. So zeigt sich seit Beginn der Dokumentation, dass die Störche früher kommen. 1985 lag die Ankunftszeit etwa Mitte April, bis zum Jahr 2022 rutschte sie auf Ende März/Anfang April.

Bauprojekte auch am Stadtrand

Damit die Bestände der Störche in Lichtenberg auf Dauer stabil bleiben, müssen pro Horst zwei Jungtiere erfolgreich flügge werden. Mit den Daten der letzten 40 Jahre liegt der Wert in Berlin aktuell bei 1,9, also knapp darunter.

Da in Berlin mehrere große Bauprojekte realisiert werden sollen, einige auch am Stadtrand, wird in den kommenden Jahren von Interesse sein zu beobachten, wie sich dies auf die Besetzung der Nester im Bezirk Lichtenberg auswirken wird.

Julia Bensch

Beitrag aus: „UmweltBewusst“, www.umweltbuero-lichtenberg.de

Quellen: eigene Daten sowie: Jens Scharon, Winfried Otto: Vorkommen und Beringung des Weißstorches Ciconia ciconia in Berlin im Zeitraum 2010 bis 2022. Berliner ornithologischer Bericht, Bd. 32 (2022), S. 22-36. www.orniberlin.de (Publikationen)

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